Das Wesen. Psychothriller
Zettel abgegeben wird, in dem angeblich ausgerechnet die geistesgestörte Entführerin irgendeinen konfusen Schwachsinn behauptet? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.«
»Nein, Herr Menkhoff«, entgegnete sie kühl. »Ich schicke Sie nach Hause, weil Sie gerade zugegeben haben, als ermittelnder Beamter wissentlich und in voller Absicht Beweismittel manipuliert zu haben. Angesichts der Situation werden wir der Sache erst genauer nachgehen, nachdem wir Ihr Kind gefunden haben. Sie kennen das Gesetz gut genug, um zu wissen, dass ich eigentlich sofort ein Disziplinarverfahren gegen Sie einleiten müsste, dem sich auch ein Strafverfahren anschließen kann.«
»Sie können doch …« Er brach ab und sah mich hilfesuchend an. Ich wich seinem Blick aus. Obwohl ich wusste, dass unsere Chefin gar nicht anders konnte, als ihn sofort von dem Fall abzuziehen und nach Hause zu schicken, trotz der Zweifel, die die ganzen Jahre hindurch immer wieder in mir hochgekommen waren und die sich nun offenbar als gerechtfertigt herausstellten, tat mein Partner mir leid.
Als ihm klarwurde, dass ich nichts dazu sagen würde, dass ich ihm nicht helfen würde, weil ich ihm nicht helfen konnte, stand er mit einem Ruck auf. »Wenn Sie denken, ich lege zu Hause die Hände in den Schoß, sind Sie auf dem Holzweg, Frau Kriminaloberrätin. Nicole Klement hat mein Kind entführt, und ich werde sie finden. Ob als Polizist oder als Vater, das ist mir scheißegal.« Und an mich gewandt, fügte er hinzu: »Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass ich dabei alleine bin.«
Sekunden später schlug Menkhoff die Tür hinter sich zu.
58
24. Juli 2009, 17.06 h
Minuten später verließ auch ich das Büro unserer Chefin. Diese Sache würde eine Untersuchung nach sich ziehen, die für Menkhoff sehr unangenehm werden konnte. Sollte sich dabei gar herausstellen, dass durch seine Manipulation tatsächlich ein Unschuldiger verurteilt und so viele Jahre eingesperrt worden war, konnte es gut sein, dass der Hauptkommissar selbst im Gefängnis landete. Aber jetzt mussten wir Luisa finden.
Ich ging in unser Büro und setzte mich an meinen Platz. Mein Blick wanderte durch den Raum zu Menkhoffs Schreibtisch. Ich überlegte, was nun in ihm vorgehen mochte, schob diese Gedanken aber gleich wieder zur Seite. Als gegen die geöffnete Tür geklopft wurde und Wolfert den Kopf hereinsteckte, winkte ich ihn herein. Vor meinem Schreibtisch blieb er stehen und sah herüber zu Menkhoffs leerem Platz. »Ich suche Hauptkommissar Menkhoff. Wissen Sie, wo er ist?«
»Schon weg«, antwortete ich ausweichend. »Ist was Bestimmtes?«
»Mein Vater hat mich gerade angerufen. Es geht um die Tante von Frau Klement.«
»Was ist mit ihr?«
»Einer seiner Mitarbeiter … also jemand von den Leuten, die meinem Vater direkt unterstellt sind, hat herausgefunden, dass sie ein kleines Restaurant betreibt. Einer der Männer hat auch gleich da angerufen. Sie ist jetzt dort zu erreichen und erwartet den Anruf von Hauptkommissar Menkhoff.«
»Haben Sie die Nummer?«
Er zeigte mir einen gelben Notizzettel, auf dem er die lange Telefonnummer notiert hatte, aber als ich danach greifen wollte, zog er ihn ein Stück zurück. »Ich … würde Hauptkommissar Menkhoff die Nummer gerne selbst geben.«
»Das ist schwierig, er wird heute auf keinen Fall mehr ins Büro zurückkommen«, sagte ich. Wolfert überlegte einen Moment. »Kein Problem, ich rufe ihn auf dem Handy an.«
»Jetzt machen Sie kein Theater und geben mir die Nummer, Wolfert. Ich leite diesen Fall schließlich.«
Er zögerte und sah auf den Zettel, als wäre dort notiert, wer ihn bekommen durfte. Ich streckte ungeduldig die Hand aus. »Was ist jetzt, Herr Kommissar?«
Vielleicht war es die offizielle Anrede, die ihn dazu bewog, mir das Zettelchen schließlich hinzuhalten. »Also gut. Aber sagen Sie Hauptkommissar Menkhoff bitte, dass Sie mir befohlen haben, Ihnen die Nummer zu geben.« Ich sah von den hingekritzelten Zahlen auf, die ich gerade zu entziffern versuchte. »Was soll ich? Warum?«
»Er … Hauptkommissar Menkhoff hat mir die strikte Anweisung gegeben, alles, was ich herausfinde, nur ihm persönlich zu geben.«
»Wann … wann hat er Ihnen diese Anweisung gegeben?«
»Heute Morgen.«
»Danke, Herr Wolfert.« Ich steckte den Zettel in die Hosentasche. »Ich werde Hauptkommissar Menkhoff gleich anrufen und ihm die Nummer geben. Gibt es sonst noch was Neues?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Zwei Kollegen sind mit
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