Das Wesen. Psychothriller
los, sobald ich die Tür geschlossen hatte.
Ich schnallte mich an und sagte: »Wo fahren wir –«
»Halt den Mund und hör mir zu«, fiel er mir barsch ins Wort. Er musste bremsen, weil wir das Ende des Parkplatzes erreicht hatten, und sah mich zum ersten Mal an. »Bevor ich dir sage, was ich weiß und wohin wir fahren, beantworte mir eine Frage, und zwar ehrlich: Vertraust du mir?«
Meine Stirn begann zu prickeln wie verrückt.
»Eine einzige Sekunde Zögern kann meine Tochter nachher das Leben kosten«, sagte er barsch. »Also was ist, vertraust du mir?« Als ich noch immer nicht sofort antwortete, sagte er im Befehlston: »Steig aus.«
»Was? Aber ich –«
»Mach, dass du rauskommst, Alex.«
»Nein!«, schrie ich, und ich hatte dabei das Gefühl, zu explodieren. »Ich vertraue dir.« Es war eine glatte Lüge. »Ja, verdammt! Fahr!«
»Ich habe eben zwei Telefonate geführt«, begann Menkhoff. »Das erste mit Nicoles Tante, das zweite mit Joachim Lichner. Er rief mich an, als ich das Gespräch mit Spanien gerade beendet hatte, was er natürlich nicht wissen konnte.«
Er erzählte mir von den beiden Telefonaten, und ein flaues Gefühl machte sich in meinem Bauchraum breit, als mir zu dämmern begann, worauf das Ganze hinauslaufen könnte. Ich unterbrach Menkhoff und erzählte ihm, was Kollege Wolfert herausgefunden hatte.
Seine Augen weiteten sich für einen kurzen Moment, dann nickte er grimmig. »Das passt. Verdammte Sauerei.«
Dann erzählte er mir, was er sich aus alledem zusammengereimt hatte, und je länger er redete, je mehr ich erfuhr, umso größer wurde mein Bedürfnis, mir die Ohren zuzuhalten wie ein Kind, damit es nicht gab, was ich nicht hörte.
60
24. Juli 2009, 18.00 h
Wenn Menkhoff recht behielt, war seine Tochter in noch viel größerer Gefahr, als wir bisher angenommen hatten, und wir konnten die Situation, in der das Kind sich befand, überhaupt nicht einschätzen.
Wir überquerten die Grenze nach Belgien und würden unser Ziel bald erreicht haben.
»Würdest du sie … töten?«, fragte ich.
Er hob die Schultern. »Ich weiß nicht, welche Situation … Ich hoffe, ich werde diese Entscheidung nicht treffen müssen. Aber wenn es um Luisas Leben geht …«
»Warum sprichst du nur von dir?«
»Weil du nicht dabei sein wirst.«
Ich sah ihn überrascht an. »Was soll das heißen? Ich bin doch schon dabei.«
Er schüttelte den Kopf und erklärte mir, was er vorhatte. Es klang absolut verrückt, aber falls er mit seinen Vermutungen richtiglag, hatten wir verdammt nochmal keine Wahl.
Wir fuhren auf der Hauptstraße durch Eynatten. Sie verlief leicht geschwungen durch das Dorf und teilte es in zwei etwa gleich große Hälften. Als Menkhoff kurz hinter dem Ortsausgang links abbog, sah er kurz zu mir herüber: »Vielleicht ist es besser, wenn man dich nicht sieht. Rutsch runter.«
»Wie weit noch bis zu der Hütte?«
»Es ist noch ein gutes Stück, aber wer weiß, vielleicht hat sich ja irgendwo da vorne jemand versteckt und beobachtet uns?«
Ich fand diese Aktion zwar überflüssig, wollte aber in dieser Situation nicht mit ihm diskutieren. Er musste große Angst um seine Tochter haben, da war es kein Wunder, dass er übertrieben vorsichtig war. Ich warf also einen letzten Blick durch die Frontscheibe nach draußen, dann rutschte ich mit dem Unterkörper nach vorne, winkelte die Beine an und drehte mich dabei, so dass ich schräg im Fußraum kniete und mit abenteuerlich verkrümmtem Oberkörper auf dem Sitz lag. Von außen würde man mich nicht mehr sehen können.
Menkhoff fuhr nun deutlich langsamer, er arbeitete ständig am Lenkrad, als müsse er einen Hindernisparcours durchfahren. Es gab einige dumpfe Schläge in die Stoßdämpfer, als er durch Schlaglöcher fuhr. »Scheißweg«, sagte er. »Kann aber nicht mehr weit sein. Ich lass dich gleich raus.«
»Sollten wir nicht doch besser Verstärkung anfordern?«, fragte ich und hob dabei den Kopf ein wenig an.
»Nein. Ich bin beurlaubt, schon vergessen? Die Frau Kriminaloberrätin ist ja offensichtlich der Meinung, ich hätte mich eines Verbrechens schuldig gemacht.« Er warf einen schnellen Blick zu mir herunter, und ich konnte den Vorwurf in seinen Augen sehen. »Die würden mich jedenfalls nicht da reingehen lassen, obwohl es meine Tochter ist, um deren Leben es hier geht«, fuhr er mit fester Stimme fort. »Das kann ich nicht zulassen. Ich weiß nicht, was in dieser Hütte los ist, aber ich bin sicher, ich komme
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