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Das Wetter vor 15 Jahren

Das Wetter vor 15 Jahren

Titel: Das Wetter vor 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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fotorealistische Abbildung eines Alpengewitters Wert legt.
    Wolf Haas Na ja, der Witz kommt ja erst. Fünfundzwanzig - und dann zack. Der Sprung.
    Literaturbeilage Kontrollverlust.
    Wolf Haas Der Zählende glaubt, das Gewitter kontrollieren zu können, und das Gewitter rückt auch, abgesehen von diesen kleinen Schwankungen, die womöglich auch nur Zählungenauigkeiten sind, Wunschdenken, dass es sich entfernen möge, aber es rückt näher, von zehn auf neun auf acht auf sieben auf sechs auf fünf Sekunden. Aber dann nicht auf vier! Nicht auf drei! Nicht auf zwei!
    Literaturbeilage Sondern auf einmal ist es da. Just like that.
    Wolf Haas Auf einmal steht der Besuch in der Tür.
    Literaturbeilage Das heißt, Sie haben das langsame Näherrücken so ausführlich geschildert -
    Wolf Haas Nicht langsam! Das Graduelle. Das Kontrollierte. Zuerst hält sich das Gewitter an die Regeln. Es kommt wahnsinnig schnell näher, aber in einem nachvollziehbaren Tempo. Von vier Kilometern auf drei Kilometer braucht es gleich lange wie von drei auf zwei Kilometer. Es kommt rasend schnell. Ist aber noch berechenbar. Noch! Und auf einmal hält es sich überhaupt nicht mehr an die Regeln.
    Literaturbeilage Also ich sage Ihnen ehrlich, für mich ist dieses fast in Superzeitlupe geschilderte schnelle Näherrücken des Gewitters etwas over the top. Ein bisschen too mucb! Es dauert mir einfach zu lang!
    Wolf Haas Dabei ist es so schnell gegangen in Wirklichkeit.
    Literaturbeilage Ja eben! Ich bin ein ungeduldiger Mensch. Mich hat's erst wieder richtig gepackt, als es endlich runterkommt.
    Wolf Haas Wobei das eine optische Täuschung ist. Das eigentliche Runterkommen wird so gut wie gar nicht geschildert. Ich nehme an, Sie meinen jetzt die Sekunde davor.
    Literaturbeilage Ja, die Sekunde davor. Die lange Sekunde, bevor es runterkommt. Wo einem würklich die Luft wegbleibt.
    Wolf Haas Dabei war die Stelle für mich am leichtesten zu schreiben. Haben Sie schon einmal ein richtiges Alpengewitter erlebt?
    Literaturbeilage Also ich war schon öfter in den Bergen, auch in Ostreich. Da hab ich mich auch sehr gefürchtet vor den Gewittern. Aber so ein gewaltiges Inferno wie in Ihrem Buch hab ich gottseidank nicht erlebt. Sonst würde ich nicht hier sitzen. Ich wäre vor Schreck gestorben oder wahnsinnig geworden!
    Wolf Haas Mein Ziel war, dass man wirklich auch beim Lesen diese Herzrhythmusstörung kriegt, die einen da befällt. Also in der Sekunde davor. Wenn die Luft ausholt.
    Literaturbeilage Für mich wurde es beim Lesen in dem Moment so richtig bedrohlich, wo Sie zum ersten Mal die Warntafel auf dem Hochspannungsmast erwähnen, die fortwährend im Wind gegen das Metall schlägt.
    Wolf Haas Dabei ist das an sich ein harmloses Ding.
    Literaturbeilage Ja, das Ding ist harmlos, wenn man's nur als das Blechschild nimmt, das im Wind gegen das Metall des Hochspannungsmastes klappert. Aber das gelbe Schild trägt ja eine Aufschrift.
    Wolf Haas Lebensgefahr! Sogar bei Schönwetter macht einem das ein unangenehmes Gefühl. Man wandert durch diese idyllische Landschaft, plötzlich steht da auf einem Sciencefiction-Hochspannungsmast schwarz auf gelb Lebensgefahr! In einer Umgebung, wo man noch eher erwarten würde, von einem Wildtier bedroht zu werden als von einer Spitzenstromleitung. Das Ganze hat was von einem Atommülllager, also da braucht es gar nicht unbedingt ein Gewitter, damit man sich unwillkommen fühlt.
    Literaturbeilage Aber das Gewitter war da.
    Wolf Haas Noch nicht!
    Literaturbeilage Aber es war schon finster. Das Schild können die beiden nur lesen, wenn die Blitze es beleuchten. Man fragt sich ja die ganze Zeit, warum sie nicht endlich umkehren. Warum sie nicht hinunterrennen. Warum sie immer noch auf die Stromautobahn zugehen. Wolf Haas Ja, ganz genau. Stattdessen rennen sie hinauf. Allein das Rennen ist ja schon eine bergsteigerische Todsünde. Man darf auf einen Berg nie rennen, auch wenn man es noch so eilig hat. Das ist ein Wissen, das Anni mit der Muttermilch eingesogen hat.
    Literaturbeilage Seit das Gewitter tatsächlich aufgezogen ist, hat Anni wieder das Kommando übernommen.
    Wolf Haas Ich glaube, sie sind jetzt einfach gerannt, weil sie endlich die Stromautobahn hinter sich haben wollten. Man hat ja auch Angst, dass es in den Mast einschlägt. Und wenn man da direkt daneben steht -
    Literaturbeilage Dafür ist das Gewitter aber noch zu weit entfernt. Sie beschreiben einen Blitz, der über den Himmel zuckt und auf der anderen

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