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Das Wiegen der Seele (German Edition)

Das Wiegen der Seele (German Edition)

Titel: Das Wiegen der Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ullsperger
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diesen Morgen nicht überstehen. Die Zutaten für eine Bloody Mary fehlten in seinem Küchenrepertoire – wie so vieles. Also machte er sich zwei Eier mit Speck und Zwiebeln, Toast und einen extrastarken Kaffee. Kurz ließ er den Abend zuvor Revue passieren und dachte an die spaßige Pokerrunde mit seinen Kumpels.
    Er hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Ein paar Erinnerungslücken lagen hinter einem Nebelschleier verborgen. Das wunderte ihn aber weniger, denn er hatte wie immer kräftig zugeschlagen. Er zuckte und kreiste ein wenig mit den Schultern. Dann rieb er sich die Schläfen und massierte die Stirn in der Hoffnung, das anhaltende Dröhnen seines Schädels zu beenden – erfolglos.
    Als er mit dem Essen fertig war, zündete er sich eine Zigarette aus der Notfallpackung an, die er für alle Fälle in einer Küchenschublade deponiert hatte. Dann schob er den Stuhl vom Tisch zurück und ließ die gusseiserne Bratpfanne ins graue Abwaschwasser gleiten, so dass es ein wenig zischte. Sein Aschenbecher war sauber, geradezu vorwurfsvoll fleckenlos. Trotzdem klopfte er die Zigarettenasche in einen Kaffeerest. Danach ging er auf nackten Füßen zurück ins Schlafzimmer und ergriff seine Diensthose.
    Für einen kurzen Moment zögerte er, als er die Hose anzog. Aus dem Schrank nahm er ein ungebügeltes Oberhemd. Nettgen bügelte nur im äußersten Notfall, denn grundsätzlich ging er nicht ohne Sakko aus dem Haus. So konnte seiner Meinung nach niemand die Falten sehen. Beim Überziehen des Halfters seiner P8 9x19 überprüfte er mehrmals den korrekten Sitz.
    Er wandte sich ins Badezimmer und trat vor das kleine Waschbecken, wusch sich die Hände und das Gesicht mit einem gelben, nach Lavendel riechenden Stück Seife und trocknete sich ab. Danach rieb er sich die Hände gewohnheitsmäßig noch einmal an seiner Hose, fuhr sich mit der Hand über seinen Dreitagebart und einige Male mit den Fingern durch die Haare. Er warf einen flüchtigen Blick in den Spiegel, um festzustellen, dass er ziemlich verheerend aussah.
    Sein nächster Blick fiel auf das lebensgroße Poster von Arnold Schwarzenegger als Terminator , das über seiner Kloschüssel hing. Er zwinkerte ihm zu. Jetzt konnte der Tag beginnen.
     
    Keine fünf Minuten später war er komplett angezogen, steckte sich die Dienstmarke sowie ein paar zerknüddelte Euroscheine in die Hosentasche und verließ sein Apartment. Nicht weit vom Haupteingang des Mehrfamilienhauses in Essen- Rüttenscheid parkte sein 1964er Ford Mustang, dessen Radkappen mit so viel Rost versehen waren, dass nur noch hier und da Chrom zu erkennen war.
    Fast fünf Jahre war es her, dass sich Nettgen dieses Schmuckstück auf Kredit gekauft hatte. Eigentlich wollte er den Oldtimer direkt nach dem Kauf aufpolieren, aber dazu war er nie wirklich gekommen. „Na ja, solange uns der TÜV nicht scheidet...“ war zu seinem Standardspruch in Bezug auf sein privates Fortbewegungsmittel geworden.
    Im Auto herrschte ein eigenartiger Geruch, eine Mischung aus Fast Food und kaltem Zigarettenrauch. Beim Einlegen des ersten Ganges krachte es ein wenig. Die Hinterreifen waren gigantisch breit, die Kotflügel übertrieben tief und weit ausgeschnitten, damit die Reifen ihren Platz fanden. Auch die Scheibenwischer waren nicht mehr die allerneusten, denn beim Einschalten verschmierten sie den angesammelten Schmutz mit Morgentau und zogen hässliche Streifen. Nettgen fuhr auf die Hauptstraße und folgte ihr bis zur nächsten Kreuzung.
    Das Diensthandy klingelte und Nettgen nahm den Anruf entgegen. Es war sein Kollege Löffler.
    „Bist du schon unterwegs?“, wollte er wissen.
    „Aber selbstverständlich, Papa “, meinte Nettgen ironisch und leicht genervt. „Ich bin jetzt fit wie ein Turnschuh. Was ist los, hast du Sehnsucht?“
    „Nein, dachte nur, du bist wieder eingeschlafen. Hattest doch gestern deinen Pokerabend“, meinte Löffler.
    „War auch wirklich eine super Idee, mich um fünf aus dem Bett zu schmeißen. War wie immer ziemlich übel, was den Alkoholgenuss angeht. Eigentlich dürfte ich diese Karre überhaupt noch nicht bewegen. Hoffe, die Kollegen von der Streife schlafen auch noch. Bin gleich da.“
    Nettgen beendete das Gespräch und holte aus dem Handschuhfach ein prall belegtes Schinkensandwich hervor, das er am Vortag dort deponiert hatte. Irgendwie hatte er noch immer einen üblen Geschmack im Mund und hoffte, durch vermehrte Nahrungsaufnahme die Fahne loszuwerden, die seinem Atem vorauseilte. Er

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