Das wilde Herz der Highlands
Anraten hin tatsächlich ihren verletzten Stolz fahren lassen und sich der Innigkeit der gemeinsamen Nächte ergeben. Außerhalb ihrer Kammer wusste sie jedoch nicht recht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte.
„Haltet stets die Augen offen“, wandte ihr Vater sich ernst an Blake und riss Seonaid aus ihren Gedanken. „Denkt immer daran“, fuhr er fort, „dass sich Greenwelds Krieger dort draußen herumtreiben.“
„Die sind doch gewiss nicht mehr hinter mir her“, meinte Blake erstaunt. „Greenweld ist tot.“
„Aye.“ Ihr Vater nickte. „Aber wer, glaubt Ihr, hat es ihnen gesagt?“
Blake starrte ihn verblüfft an, und ihr Vater nickte abermals. „Richtig, niemand. Sie werden es kaum riskieren, mit Schotten zu reden, denn sie wollen nicht Gefahr laufen, als die Eindringlinge angegriffen zu werden, die sie sind. Und es ist unwahrscheinlich, dass sie versuchen werden, Greenweld, den sie noch unter den Lebenden glauben, über ihren Misserfolg zu unterrichten. Nach allem, was ich über diesen Bastard gehört habe, hätte er ihnen dafür bei lebendigem Leibe das Fell über die Ohren gezogen. Nay, sie werden nicht wagen zurückzukehren, ohne ihren Auftrag ausgeführt zu haben.“
„Gut, aber wenn sie uns bis hierher nach Dunbar gefolgt sind, dann sehen sie doch, dass Greenweld nicht hier ist. Spätestens dann dürfte ihnen aufgehen, dass ...“
„Ich bezweifle, dass sie schon hier sind. Ihr hattet mehrere Tage Vorsprung, und auch sie mussten, wie Ihr, erst einmal zum Kloster gelangen. Hätte Seonaid Euch nicht so sehr auf Trab gehalten und wäret Ihr nach dem Überfall nicht schnurstracks zurückgekehrt, wäret Ihr ihnen vermutlich schon auf dem Weg hierher zum Opfer gefallen. So aber folgen sie vermutlich Eurer Fährte und sind einige Tagesritte hinter Euch.“
Blake schwieg, während er über das soeben Erfahrene nachsann. Seonaid argwöhnte, dass er nun womöglich doch lieber mit ihrem Vater und den anderen geritten wäre, weil ihm aufging, dass er sie alle in Gefahr gebracht hatte. Aber dafür war es zu spät.
„Also gebt acht, wenn Ihr aufbrecht, und seid wachsam“, schloss ihr Vater.
Blake nickte versonnen.
Zufrieden drehte Angus sich zu seiner Tochter um und stupste sie unterm Kinn. „Pass auf ihn auf. Sein Vater würde es nur mir anlasten, wenn er sich abschlachten ließe.“
Seonaid hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken, doch es gelang ihr, weil sie merkte, dass Blake die Worte nicht eben gut aufgenommen hatte. „Aye, Vater.“
„ Gut. Such Lady Helen, und bring sie hinauf in deine Kammer. Wir können bald aufbrechen. Sag uns Bescheid, sobald die beiden fort sind. Wir geben ihnen ein paar Augenblicke, um durch den Tunnel zu gelangen, und machen uns dann ebenfalls auf den Weg. Das sollte Lady Helen und Kenwick die nötige Ablenkung verschaffen, um sich unbemerkt davonstehlen zu können.“
Sie nickte und schritt zum Wohnturm, wobei sie Blake und Aeldra hinter sich spürte. Sie fanden Helen in der Großen Halle, wo sie sich gerade bei Iliana für die Gastfreundschaft bedankte. Seonaid lächelte in sich hinein, als sie den einstigen Rotschopf betrachtete. Helen hatte sich in einen schwarzhaarigen englischen Knaben verwandelt. Man hatte ihr die Brüste so fest umwickelt, dass sie nicht länger zu erkennen waren, und sie in Kleider von Lord Rolfe gewandet, die zuvor enger gemacht worden waren. Ihr Haar war zurückgebunden und mit Ruß geschwärzt worden, sodass sie nun wie ein schmächtiger dunkelhaariger Bengel aussah. Die Veränderung war beeindruckend.
Helen verabschiedete sich gerade, als Seonaid, Blake und Aeldra zu ihr traten. Sie drehte sich zu ihnen um. „Ist es so weit?“ „Aye.“
Helen nickte und folgte Seonaid zur Treppe nach oben.
Als sie die Kammer erreichten, erwarteten Lord Rolfe, Duncan und Little George sie bereits. Die drei Männer waren eifrig damit beschäftigt, die Felsbrocken vom Tunnelzugang zu entfernen. Den Großteil hatten sie schon abgetragen.
„Weshalb lässt du den Eingang nicht einfach zumauern?“, fragte Seonaid ihren Bruder, als auch Blake eintrat und mit anpackte.
„Weil ich mich noch nicht entschieden habe, ob ich den Tunnel aufgeben will oder nicht“, erklärte Duncan. „Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, es so einzurichten, dass er sich nur von dieser Seite öffnen lässt. Zudem wäre es mir lieber, wenn so wenige wie möglich von ihm wüssten.“ Er bedachte die Anwesenden mit einem vielsagenden Blick. „Ich vertraue
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