Das wilde Herz der Highlands
hatten.
Blake freute sich darüber, dass Seonaid sich zu ihm setzte, und lauschte gebannt Lady Wildwoods Geschichte. Während sie sprach, lugte er immer wieder zu Rolfe Kenwick hinüber und grinste innerlich, als er bemerkte, welche Empfindungen sich in dessen Miene spiegelten: Verärgerung - nicht etwa darüber, dass Helen keine Nonne war, sondern dass er sich hatte narren lassen; Wut über Camerons Absichten; und die Entschlossenheit, Helen zu beschützen. Blake nahm an, dass Kenwick und der zierliche Rotschopf so gut wie verheiratet waren. Ihm war nicht entgangen, wie der Mann während der Reise über Helen gewacht hatte und ihr ständig mit dem Blick gefolgt war. Blake hatte schon vermutet, dass Kenwick sich zu ihr hingezogen fühlte, und ihn bedauert. Nun jedoch war alles anders, und so wunderte es ihn nicht, dass Kenwick das Wort ergriff.
„Dann werde ich sie sicher nach Hause geleiten. Der König ist ein Freund Bethencourts und würde es so wünschen.“ „Halt, einen Augenblick, Jungchen“, fiel Dunbar ihm mürrisch ins Wort. Offenbar sah er seinen Vorwand schwinden, an Lady Wildwoods Seite bleiben zu können. „Meine Tochter war es, die ihr Wort gegeben hat, die Dame zurückzubringen, und ich werde diese Aufgabe an ihrer statt übernehmen, wie ich es versprochen habe. Das ist meine Pflicht.“
„Meine Herren“, unterbrach Lady Wildwood sie ruhig und ließ die Männer verstummen. „Ihr seht nur, wer Helen ist, und vergesst darüber etwas weit Gewichtigeres.“
„Und das wäre?“, fragte Dunbar stirnrunzelnd.
„Wie Seonaid mir gegenüber herausgestellt hat, müssen wir uns wegen Rollo Cameron Sorgen machen. Es wird ihm kaum daran gelegen sein, dass Helen heil zu ihrem Vater gelangt und ihm alles erzählt. Das nämlich würde ihn den Kopf kosten, und daher wird er alles tun, um es zu verhindern. Die Männer, die Euch im Wald angegriffen haben, sind Euch gewiss gefolgt. Vielleicht ist bereits eine kleine Armee an Cameron-Kriegern auf dem Weg, sofern sie nicht längst hier ist.“ Sie machte eine Pause, um den Männern Gelegenheit zu geben, ihre Worte zu verdauen. „Auch an Helens Vater solltet Ihr denken. Sollte es Helens Kammerfrau tatsächlich gelungen sein, sich allein bis nach Südengland durchzuschlagen und Bethencourt alles zu berichten, so ist auch er womöglich in Gefahr.“
„Ihr habt recht“, erwiderte Kenwick besorgt. „Ich werde ihm umgehend einen Boten schicken. Sollte die Kammerfrau ihn nicht erreicht haben, wird dieser ihn über alles in Kenntnis setzen. So oder so werde ich ihn anweisen, auf Bethencourt zu bleiben und Cameron abzuwehren, bis wir da sind.“
„Und wen meint Ihr mit ,wir‘?“, fragte Dunbar grimmig. „Lady Helen und mich. Wie die Dinge stehen, würde eine große Gruppe nur Camerons Aufmerksamkeit erregen. Es ist besser, wenn Lady Helen und ich uns allein davonschleichen, sie vielleicht als Junge getarnt. So können wir bis nach Bethencourt gelangen.“
Angus überdachte dies mit gefurchter Stirn. Wenn Rolfe Kenwick mit Lady Helen davonritt, war es aus mit seiner Rechtfertigung dafür, die anderen begleiten und somit in Margarets Nähe bleiben zu können. Sollten sie andererseits die junge Dame mitnehmen, würde dies Margaret und den Bischof in Gefahr bringen. Wenn er den Großteil seiner Krieger mitführte, könnten sie es mit einem ganzen Clan - auch mit den Camerons -aufnehmen, so wie Duncan es getan hatte, als er Seonaid hatte befreien wollen. Aber nachdem Dunbar Castle einmal belagert worden war, widerstrebte es Angus, die Burg angreifbar zurückzulassen.
Das Portal zur Großen Halle schwang polternd auf, und der Knall durchbrach die Stille, die sich über die Anwesenden gesenkt hatte. Alle drehten den Kopf, um zu sehen, wer eingetreten war. Rolfe erkannte den Boten, der durch die Halle auf sie zueilte, wandte sich ihm zu und nahm die Schriftrolle entgegen, die dieser ihm reichte. Er erbrach das Siegel, entrollte das Pergament und las stirnrunzelnd.
„Der Bote, den ich vor unserem Aufbruch nach St. Simmian’s zum König geschickt habe, um ihm mitzuteilen, dass sich Lady Wildwood auf Dunbar befindet, ist sicher angekommen. Der König befiehlt mir, Euch umgehend an den Hof zu bringen, Mylady. Er möchte mit Euch über dringliche Angelegenheiten sprechen.“
„Was für dringliche Angelegenheiten“ sollen das sein?“, fragte Angus Dunbar argwöhnisch.
„Und wieso die Eile?“, wollte Lady Wildwood wissen. „Zweifellos weiß er inzwischen, dass
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