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Das Winterkind

Das Winterkind

Titel: Das Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Rohn
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kaum wahrnehmbares, hässliches Surren. Trotzdem glaubte ich, mit jemandem verbunden zu sein. Atmete da nichtjemand? Der Junge, fiel mir ein, klar, er hatte meine Nachricht zuerst abgehört, er hatte meinen Anruf gelöscht, sich aber vorher die Nummer notiert. Telefonterror war auch für einen Elfjährigen heutzutage nichts Neues mehr.
    »Mark«, sagte ich heiser. »Hör auf mit diesem Unsinn! Wir sollten einmal miteinander reden. Auch deiner Mutter zuliebe.«
    Meine Worte klangen alt und selbst in meinen Ohren nicht sonderlich überzeugend. Ein leises Klicken war die Antwort.

20. Dezember
    Zuerst hörte ich das Geräusch eines Motors, dann wie eine Wagentür zugeschlagen wurde. Aus irgendeinem Grund, der mich selbst überraschte, dachte ich voller Freude an Hedda, aber so klang es nicht, wenn jemand an seinem rostigen Golf die Tür zuschlug.
    Ochs schritt am Fenster vorbei. An seinem Gang war unschwer zu erkennen, dass sein Besuch gewissermaßen einen offiziellen Charakter hatte. Ira hatte ihn geschickt; er war in wichtiger Mission unterwegs.
    »Sie sind gestern Abend angekommen«, sagte er, nachdemich ihn hereingewinkt hatte. Eine Aufregung hatte sich in seine Stimme geschlichen, die mir an ihm noch nie aufgefallen war.
    Ochs war früh aufgestanden. Er roch wieder unmäßig nach Rasierwasser. Der erste zarte Lichtschein zog am Horizont herauf. Obwohl mein Chauffeur zur Eile drängte, ließ ich mich nicht von meinen morgendlichen Ritualen abbringen. Ich brauchte meinen schwarzen Kaffee und musste nach meinem Fischreiher sehen, ehe ich ins Dorf fahren konnte.
    »Chef«, sagte Ochs, als wir im Wagen saßen, ich neben ihm auf dem Beifahrersitz, »darf ich Ihnen eine Frage stellen? Welchen Plan haben Sie?«
    Ich hätte beinahe gelacht, so gewichtig klangen seine Worte. Ich hatte keinen Plan; mein einziger Plan war gewesen, mir in vier Tagen eine Kugel in den Kopf zu schießen.
    »Ich werde abwarten«, erwiderte ich in genauso bedeutsamem Tonfall, »und mir anhören, was sie zu bieten haben, und dann werde ich entscheiden.«
    Ochs nickte, an seinem Blick konnte ich jedoch erkennen, wie enttäuscht er über meine belanglose Antwort war.
    Schon als ich die Flotelpension betrat, war zu spüren, dass sich auch hier etwas verändert hatte. Drei Sieger, erfolgreiche Generäle, die einen weiteren Krieg gewinnen wollten, waren eingezogen und hatten ihren Geruch von Macht und Geld verbreitet. Die beiden Mädchen, die servierten, bewegten sich hektischer und ungelenker, und die Besitzerin sprach mich an, als stände sie an einem goldenen Empfangspult im Waldorf Astoria und nicht vor dem armseligen Schlüsselbrett ihrer Pension. »Man erwartet Sie bereits. Wir haben Ihnen für Ihre Besprechung ein eigenes Frühstückszimmer eingedeckt.«
    Ochs marschierte mir wie ein Leibwächter voraus. Die Tür zu diesem besonderen Frühstückszimmer war halb geöffnet, ich hörte allerdings keine Stimmen, überhaupt keine Geräusche, außer dem Klappern eines Löffels, der auf eine Untertasse fiel. Sie saßen da, warteten und redeten nicht. Zuerst erblickte ich Ira. Die Zeit auf Gomera hatte ihr gut getan. Auf ihrem Gesicht lag ein gesunder brauner Teint, und ihr Haar sah aus, als hätte sie es auf eine dezente Art blond gefärbt. Sie lächelte, wie ich eintrat, allerdings auf eine rätselhafte, ungewisse Art und Weise. Der Stuhl neben ihr war leer; dieser warme Platz an ihrer Seite war anscheinend für mich reserviert; ihr gegenüber saßen Grashoff und der junge Borger. Beide hatten sich über Unterlagen gebeugt und lasen, sie schraken jedoch in dem Moment auf, als ich die Tür schloss.
    Ich hätte etwas sagen müssen, einen Witz machen, um die Situation vom ersten Augenblick an zu kontrollieren. Es gibt gewisse Regeln, wenn man zu jemandem in das Zimmer tritt. Betrete niemals wortlos einen Raum, spreche die Leute an, die auf dich warten, dränge sie in die Defensive, freundlich, aber bestimmt.
    Ira kam auf mich zu und umarmte mich nachlässig. »Schön, dich wieder zu sehen«, sagte sie leise. Sie roch nach Sonnenöl und einem herben, neuen Parfüm. Dann stand schon der alte Grashoff neben ihr. Er war ein echtes Schlachtross, fast einen Meter neunzig groß, mit einer fleischigen, rot geäderten Nase, die ihn wie einen Alkoholiker aussehen ließ. Dabei wusste jeder, der ihn ein wenig besser kannte, dass er jeden Morgen mindestens fünf Kilometer lief und zweimal in der Woche auf dem Golfplatz zu finden war.
    »Sie sehen gut aus, mein Lieber,

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