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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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Scheiß-Armee! Scheiß-Zone! Alles Scheiße!« Ich schrie und trat gegen die Küchentür. Mein Vater sprang auf.
    Plötzlich rief meine Mutter ganz aufgeregt aus dem Wohnzimmer: »Horst! Friedemann! Kommt schnell und schaut euch das an! Die Mauer in Berlin … die Mauer ist offen!«

4. Road to Nowhere
    Ich saß im Warti. »Take me out tonight …« – neben mir auf dem Beifahrersitz lag Ankes Kassettenrekorder und spielte mein The-Smiths-Tape. »Take me anywere I don’t care« – wie passend.
    Draußen war es Nacht und in den Wagen kroch langsam die Kälte. Ich hatte mich auf dem Fahrersitz in meinen Schlafsack eingepackt. Seit Stunden ging es
     nur Stop-and-go auf beiden Spuren der Autobahn, und es waren noch etwa vierzig Kilometer bis zur bayrischen Grenze. Weil ich Benzin sparen wollte, startete ich den Motor nur, wenn es vorwärts ging. Die Fensterscheiben beschlugen von meinem Atem, und ich wischte mit der Hand immer wieder Gucklöcher nach vorn und zur Seite. »There is a light that never goes out«, sang Morrissey, und ich hoffte, dass die Batterien noch eine Weile durchhalten würden.
    Um mich herum standen überall Autos voller erwartungsfroher Menschen. Einige konnten es nicht abwarten und öffneten schon die Sektflaschen. Immerhin half das auch gegen die Kälte. Ich trank leidlich warmen Kaffee aus Vaters Thermoskanne, die er erst mal nicht zurückbekommen würde. Keine vierundzwanzig Stunden zuvor hatte ich mit meinen Eltern vor dem Fernseher gesessen und zugeschaut,wie die Ost-Berliner nach West-Berlin spazierten. »Na, gute Nacht, DDR«, prostete mein Vater mit seinem Bier dem Bildschirm zu.
    »Ich gehe nicht zur Armee. Ich geh rüber«, platzte es aus mir heraus.
    Meine Mutter schaute mich erschrocken an. Mein Vater drehte sich ebenfalls zu mir um und sagte etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte: »Tja, Friedemann, du bist alt genug. Mach, was du für richtig hältst.« Es klang resigniert, oder bildete ich mir das nur ein?
    »Aber Horst! Der Junge …« entgegnete meine Mutter weinerlich. Doch ich hatte mich entschieden. Endlich!
    Während meine Eltern am folgenden Morgen zur Arbeit gingen, blieb ich zu Hause. Ich rief in der Gärtnerei an und meldete mich krank. Dass ich eigentlich nie wieder kommen wollte, traute ich mir nicht zu sagen. Die Grenzöffnung war mir noch zu unglaublich. Ich fuhr zum Büro der Pass- und Meldestelle der Volkspolizei, rüber nach Lindenau, und holte mir in einer langen Schlange voller aufgeregter Menschen meinen Visastempel ab. Wie einfach das plötzlich alles war. Danach eilte ich zurück nach Hause. Ich packte ein paar Klamotten ein, meine Papiere, meine Kassettensammlung, Ankes Rekorder, meine E-Gitarre, tankte den Warti auf und auch die beiden Kanister. Von Andis Mutter holte ich mir seine Adresse und Telefonnummer in Stuttgart. Vielleicht könnte ich dort erst mal unterkommen. Ich versuchte mehrmals ihn anzurufen, aber man konnte nicht in den Westen durchwählen, und bei der Telefonvermittlung war laufend besetzt.
    Meine Eltern kamen schon gegen drei von der Arbeit,und wir tranken noch zusammen Kaffee. Meine Mutter hatte Kuchen vom Bäcker mitgebracht. Die Stimmung war ähnlich bedrückend wie im Sommer am Balaton, als Andi und Katrin mit uns zum letzten Mal frühstückten. Ich drängte bald zum Aufbruch, weil klar war, dass die halbe DDR zu einem Kurzbesuch in den Westen starten würde. Und ich musste auch hier weg, weil ich das besorgte Gesicht meiner Mutter kaum länger ertragen konnte.
    »Der schafft das schon, Rosi«, sagte mein Vater in die Stille am Tisch. Seine Gelassenheit schien nur Fassade, aber was sollten sie machen, ich war volljährig. Mein Vater holte aus der Schrankwand im Wohnzimmer einen Briefumschlag und drückte ihn mir in die Hand.
    »Hier, das kannst du jetzt nötiger gebrauchen als wir.« Ich schaute kurz rein und sah zwei Zehn-D-Mark-Scheine und ein paar West-Münzen. Ich lächelte verlegen, weil ich wusste, dass dies das einzige West-Geld meiner Eltern war. Eigentlich müsste ich es ablehnen, aber ich konnte es wirklich gut gebrauchen. »Dankeschön. Ich schick euch einen neuen Schein, sobald ich drüben was verdiene«, antwortete ich und wedelte kurz mit den Banknoten, bevor ich sie in mein Portmonee steckte.
    »Hast du dir das auch wirklich gut überlegt?«, fragte mich meine Mutter zum gefühlten hundertsten Male, als wir unten am Auto standen. »Das kommt jetzt alles so plötzlich.«
    Ich nickte geduldig und sagte: »Ja,

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