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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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deutete mit seinem Schnapsglas zu einer Sitzgruppe, auf der sich etwa ein halbes Dutzend Kiddies in olivgrünen Bomberjacken und kurzen Haaren lümmelten und Bier tranken.
    »Oh, sehen die aber scheiße aus. Und die haben Martin aufs Maul gehauen? Waren das nicht die Stifte, die vor zwei Jahren noch Hasche auf dem Vorplatz gespielt haben? Das sind jetzt hier die Alphamännchen?« Der Pfeffi putschte mich noch mal richtig auf.
    »Guck nicht so hin, Blume. Shake the disease! Die sind voll krass drauf. Mich lassen sie nur in Ruhe, weil ich hier mit den Metallern gut klarkomme.« Dave versuchte mich mit einer neuen Runde Pfeffi vom Gaffen abzulenken. Doch da drängelten sich schon zwei der Pimpfe zwischen uns.
    »Was wird denn das jetzt?«, sagte ich halb zu mir selbst.
    »Ja, was wohl, Locke? Biste ’ne Zecke oder was?« Einer der beiden baute sich vor mir auf, so nah, dass ich seine paar noch nie rasierten Barthärchen genau zählen konnte.
    »Komm, Kleiner, lass es und geh deine Fruchtmilch holen.« Nicht, dass ich in Stänkerlaune war, aber so ging es ja nun wirklich nicht.
    »Biste ’ne Zecke oder was?« Sein Wortschatz war offenbar sehr eingeschränkt.
    »Was solln das sein, ’ne Zecke?«, fragte ich zurück.
    »Na, so einer wie du. Guck dir doch mal deine Haare an. Voll schwul. Du bist ’ne Zecke, ’ne miese, kleine linke Zecke.« Er musste leicht zu mir hochschauen, da er einen halben Kopf kleiner war und tippte mir mit seinem Zeigefinger auf die Stirn. Offenbar wollte er vor seinen Kumpels den Macker raushängen lassen.
    »Na, dann ist ja alles klar.« In meinem Bier- und Pfeffiumnebelten Kopf entwarf ich Hypothesen, was jetzt wohl als nächstes kommen würde. Ein bisschen Haue bekommen oder ein bisschen mehr? Was, wenn seine »Kameraden« sich auch noch einmischen würden?
    Der Typ piekste weiter mit seinem Zeigefinger auf meiner Stirn herum und machte es mir schwer, mich zu konzentrieren. Sein Kumpel schaute ihm über die Schulter und grinste doof. Mein Adrenalinpegel ging plötzlich bedenklich in die Höhe und ein unbestimmtes Gefühl von so was wie Angst machte sich in mir breit. Diesmal würde wohl keine Tür aufgehen und kein Ali mit seinen Kumpels auftauchen. Äußerlich versuchte ich, weiter cool zu bleiben. Deeskalation nannten so was die Psychofuzzis. »Bist du bald fertig damit?«, fragte ich. Dave rief von hinten: »People are people! Jungs, jetzt hört doch mal auf und geht Bier trinken.« Der andere schob Dave weg, und ich fühlte mich auf einmal in der völlig überfüllten Rakete sehr, sehr allein. Vor gut zwei Jahren hatte ich mit Andi in der Disco im Haus Auensee eine ähnliche Situation erlebt. Damals boxte Andi so ’nem Nazi-Typen nach seinen dummen Sprüchenüber unsere Frisuren ordentlich in den Bauch, und ich hatte einem zweiten ein Bein gestellt, so dass er der Länge nach auf die Fresse gefallen war. Doch auch Andi war heute nicht da. Scotty, bitte hochbeamen! Jetzt! Ich tastete nach meinem Kommunikator an der linken Brust, doch vergeblich.
    Ein kurzer Blick zu dem Tisch mit den anderen Faschos machte mir klar, dass sie ungeduldig auf den Ausgang der Auseinandersetzung warteten. Sie riefen irgendwas Unverständliches. Mein Gegenüber drehte sich kurz lässig um und dann wieder zu mir.
    Plötzlich stieß er mich vom Barhocker. Ich fiel nach hinten. Meine Hände suchten reflexartig Halt, griffen aber ins Leere. Doch der Pimpf war eine Niete in Physik, speziell wenn es um Hebelgesetze ging. Mein Oberkörper bewegte sich nach hinten, aber meine Beine schnellten nach oben und ihm direkt in die Hundert-Punkte. Ich fing mich am nächsten Barhocker ab, doch der Pimpf klappte mit einem Schmerzensschrei zusammen wie ein Taschenmesser. Schnell kam ich wieder auf die Füße. Von dem Hobby-Hitler sah ich nur noch die Rückenansicht seiner Bomberjacke. Ich trat ihm mit aller Kraft in den Hintern, sodass er zwischen die nebenstehenden Gäste fiel. Genauso hätte es Double Trouble auch verdient!
    Dave, etwas abgedrängt in der Menschenmenge, gab mir mit der Hand ein Zeichen in Richtung Ausgang, und ich fokussierte die Tür. Nur noch raus hier! Ich quetschte mich hastig zwischen den tanzenden Leuten durch. Hinter mir hörte ich die Faschos »Zecken!« schreien – zur Musik von Modern Talking. Ich erreichte Dave kurz vorm Ausgang und während Thomas Anders und Dieter Bohlen unsnoch »Atlantis is calling, S.O.S. for love« in feinster Falsettstimme hinterhersangen, drückten wir beide uns durch

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