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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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aber dafür hatte er wohl schon etwas zuviel getankt. Er fuchtelte nur mit seiner Zigarette rum, musste husten und setzte sich wieder.
    »Arbeitslos oder nicht – Hauptsache D-Mark!«, rief meine Mutter in die Runde und wollte den sich anbahnenden Familienstreit offensichtlich mit etwas Optimismus abwenden.
    »Der Doktor Kohl, der wird Ostdeutschland wieder gesundmachen.« Mein Vater sagte »Doktor Kohl« und nicht »Helmut Kohl« oder einfach nur »Birne«, wie Noel und Matti. Offenbar beeindruckte ihn der akademische Grad des Bundeskanzlers über alle Maßen.
    »Na, mein Junge, jetzt erzähl doch mal: Wie ist das Leben in Stuttgart?« Meine Mutter hatte sich neben mich auf die Bank gesetzt.
    »Soweit ganz okay«, antwortete ich kauend.
    »Und hast du denn auch schon eine Freundin gefunden?« Oh mein Gott, ich konnte nicht glauben, dass meine Muttermich das wirklich fragte. Will sie als nächstes wissen, wann die Enkelkinder kommen? Gerade wurden die Schnapsgläser nachgefüllt, und ich kippte den Klaren auf ex rein, um nicht gleich antworten zu müssen.
    »Ja, aber nichts Festes. Ich hab es nicht eilig. Das ergibt sich schon irgendwie«, erklärte ich. »Ist noch ’ne Bratwurst da?«, wechselte ich fachmännisch das Thema.
    Nach zwei Stunden hatte ich genug und sagte, ich müsse noch mal dringend weg, alte Kumpels besuchen. Von der Gartensparte lief ich rüber zur Rakete. Vielleicht sind ja noch nicht alle in den Westen abgehauen.
    Ich musste mich verdammt auf den Weg konzentrieren, denn der Alkohol auf Vaters Geburtstagsparty hatte meinen Gleichgewichtssinn nachhaltig beeinträchtigt.
    Vor der Rakete parkten viele Autos. Früher gehörte der Platz einzig Andis Warti und den MZ-Motorrädern der Metaller. Heute sah ich viele Trabbis und Ladas. Wahrscheinlich hatten die Väter ihre alten Ost-Möhren an ihre Kinder vermacht, um in der Garage Platz für den neuen West-Schlitten zu schaffen. Über der Eingangstür leuchtete eine große Warsteiner-Bier-Reklame. Die war auch neu. Immerhin war der Türsteher noch derselbe. Aber mir fiel auf, dass Peter seine Haare abrasiert hatte und einen schwarzen Lederblouson trug. Trotzdem schaute er immer noch so gelangweilt wie früher und kaute Kaugummi. Ich drängelte mich selbstbewusst vorbei an ein paar wartenden Teenies bis an die Kette vor der Tür, die als Absperrung diente. Das Ding war Peters Allerheiligstes. Wer sich daran eigenmächtig vergriff, konnte gleich wieder nach Hause gehen. Nur er war berechtigt, die Kette zu öffnen und reinzulassen, aufwen er Bock hatte. Der hätte bestimmt mal einen guten Grenzer abgegeben. Na ja …
    »Hi Peter. Na, wie geht’s?«, grüßte ich ihn.
    »Du hier? Und Andi?« Er verzog keine Miene.
    »Drüben in Stuttgart. Wie läuft die Arbeit?«
    »Es muss. Es muss.« Peter öffnete die Kette, und ich durfte passieren.
    Drinnen war es genauso laut und verqualmt wie früher. Ich blieb einen Moment stehen. Irgendwie fühlte sich das komisch an, wieder hier zu sein. Äußerlich hatte sich eigentlich nichts verändert. Als ob ich erst letzte Woche mit Andi hier gewesen war. Trotzdem … Durch die vielen Tanzenden kämpfte ich mich an die Bar. Der Steinfußboden klebte schon leicht, was auf einen regen Bierausschank schließen ließ.
    Und dort stand auch schon Dave, gestylt im feinsten Depeche-Mode-Outfit. »Mensch Dave, wie geht’s?«, grüßte ich ihn freudig.
    »Never let me down! Hi Blume, alter Wessi. Was machst du denn hier?« Dave grinste mich an und lud mich gleich auf einen Pfeffi ein. Na gut, ich würde schon noch was vertragen.
    »Ich bin nur kurz zu Besuch. Mein Vater hat Geburtstag.« Wir kippten die Pfeffis hinter. »Was macht die Arbeit?«
    »Nothing«, antwortete Dave. »Ich hab mich arbeitslos gemeldet und kriege West-Kohle fürs Nichtstun, mehr als ich vorher in Ost hatte. Hab ich endlich mal Zeit für meine Plattensammlung. I just can’t get enough – kennst mich ja. Was Besseres konnte mir gar nicht passieren, das ist vielentspannter als im Kommunismus.« Dave zählte alle Depeche-Mode-Maxi-Singles auf, die er sich in den letzten Monaten gekauft hatte.
    »Wo ist denn Martin?«, fragte ich.
    »Der ist nach Ost-Berlin gezogen vor ein paar Wochen. In ein besetztes Haus in Friedrichshain. Weißt du, es gibt jetzt hier immer mehr Faschos, da kam Martins Outfit überhaupt nicht gut an. Die machen tierisch Stress, wenn man nicht in ihr verschrobenes Weltbild passt. Von people are people und so haben die noch nix gehört.« Dave

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