Das wird mein Jahr
Ich habe keine Ahnung, wie er sich bei den Bullen rausquatschen will, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass er dich da mit reinzieht.«
Ich sah ihn fassungslos an. So eine verdammte Scheiße. »Wann haben die ihn hochgenommen?«
Jens beugte sich über den Tisch. »Letzte Nacht. Hab es von einem Kumpel erfahren. Du solltest klar Schiff machen. Beseitige alles belastende Material, damit sie dir nix anhängen können.« Ich trank mein Bier in großen Zügen und holte mir gleich noch eins. »Bleib cool, Blume«, sagte Jens, als ich mich wieder hingesetzt hatte und meine Nervosität nicht mehr verbergen konnte. »Der Hip-Hopper kennt doch nur deinen Spitznamen. Wenn du ihn nicht nach Hause zum Kiffen eingeladen hast, haben die Bullen erst mal keinen Anhaltspunkt. Aber mich haben sie vielleicht bald an der Backe, weil ich dem Typen ja den Kontakt mir dir vermittelt habe.« Jens sah, dass sich mein Gesicht keinesfalls entspannte. »Keine Sorge, Blume, von mir erfährt niemand was. Aber mach klar Schiff, sicher ist sicher.«
Ratlos radelte ich durch die Dunkelheit nach Hause. Dort angekommen eilte ich auf meinen Dachboden und versuchte mir einen Überblick darüber zu verschaffen, was es denn überhaupt an Spuren gab. Nach dem Debakel mit der Warenübergabe hatte ich halbherzig weiter angebaut, weil ich dachte, dass ich das auch irgendwie anders loswerden könnte. Hatte mich ja alles viel Zeit und Arbeit gekostet.
Pflanzen, Erde, Lampen, Elektroheizer – alles musste weg. Jetzt! Die Pflanzen zu entsorgen kostete mich keine halbe Stunde. Ich packte sie in einen blauen Müllsack und wollte sie morgen irgendwo außerhalb der Gärtnerei verschwinden lassen. Das wäre im Spätherbst meine zweite Ernte gewesen … Aber wohin mit der vielen Erde? Mitten in der Nacht schleppte ich die Eimer hinter die Gewächshäuser. Dort verteilte ich alles auf die Komposthaufen und schaufelte darüber andere Gartenabfälle. Am folgenden Tag nach Feierabend schraubte ich die Lampen auseinander und brachte sie wieder in den Schuppen, wo ich sie gefunden hatte. Die Plastikplane kam in dünnen Streifen in den Restmüll, und den Wasserschlauch und die Verlängerungskabel brachte ich dorthin zurück, wo ich sie mir vor Monaten aus der Garage »geborgt« hatte. Anschließend nahm ich meinen Walkman und drehte die Sonic-Youth-Kassette voll auf. Ich fegte, saugte und wischte den Dachboden. Je zweimal, inklusive der Bodentreppe unter Verwendung eines stark duftenden Reinigers. Die perfekte Kehrwoche. Sollten die hier mit Drogenspürhunden auftauchen, würde der Befund hoffentlich nicht gleich so eindeutig ausfallen.
16. There Is A Light That Never Goes Out
Ich war im Morgengrauen losgefahren, hatte den Bodensee schon hinter mir gelassen und fuhr auf der Autobahn durch die Schweiz, Richtung Italien. Die Berglandschaft machte dem Bus zu schaffen, und ich kroch den LKWs hinterher. Aus dem hinteren Teil des Wagens hörte man den Motor geschäftig tuckern. Am Horizont bauten sich wunderschöne, endlose Panoramen mit schneebedeckten Gipfeln auf. Ich hörte »This Is Where The Story Ends« von den Sundays. Über zehn Monate hatte ich durchgeschuftet und heute fuhr ich in meinen ersten richtigen Urlaub. Allein, das schon, aber … Ganz freiwillig hatte ich meine Reise nicht angetreten.
Gestern Nachmittag stand Gärtnermeister Merk mit zwei Männern vor dem Büro. Ich lief zu ihnen rüber, da ich die Schlüssel für den Transporter ins Büro bringen musste. Ich schätzte die beiden Typen auf Mitte vierzig. Einer hatte einen Schnurrbart, trug Jeans und ein gestreiftes Hemd und erinnerte mich wegen seiner Frisur spontan an Rudi Völler, nur seine Statur war etwas kräftiger. Der andere sah ganz unauffällig aus, fast zu unauffällig.
Ich grüßte und wollte gleich weiter, doch Herr Merksprach mich an: »Herr Blumenstrauß, eine kurze Frage. Die beiden Herren hier sind von der Kriminalpolizei, vom Drogendezernat.« Scheiße! Ich versuchte so teilnahmslos wie nur irgend möglich zu schauen. Das waren also Sonny Crockett und Ricardo Tubbs, die schwäbische Version von Miami Vice? Herr Merk fuhr fort: »Sie suchen in den umliegenden Gärtnereien nach jemandem, der illegal Cannabis anbaut. Haben Sie davon schon gehört?« In seinem Gesicht entdeckte ich Konfusion, fast so, als wäre er es, der sich ertappt fühlte.
Die beiden Polizisten schauten mich erwartungsvoll an. Rudi Völler hatte Notizblock und Stift in der Hand – als wollte er jedes Wort von mir
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