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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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noch für irgend jemanden.« »Warum nicht?« fragte Don Juan ruhig. »Warum nicht? Weil es dich wütend macht?«
    »Jawohl, es macht mich wütend«, erwiderte ich. »Diese Behauptungen sind monströs!«
    »Nun ja«, sagte er, »du hast noch nicht alle Behauptungen gehört. Warte ein bißchen länger, und du wirst sehen, was du dann fühlst. Ich werde dich einem Blitzangriff aussetzen. Das heißt, ich werde deinen Verstand bombardieren, und du wirst nicht aufstehen und gehen können, weil du gefangen bist. Nicht, weil ich dich gefangenhalte, sondern weil etwas in dir dich am Gehen hindern wird, während ein anderer Teil von dir tatsächlich in Raserei gerät. Also mach dich darauf gefaßt!« In mir gab es etwas, das, wie ich fand, unersättlich nach Bestrafung gierte. Er hatte recht. Ich hätte nicht um alles in der Welt das Haus verlassen. Und doch gefiel mir der Unsinn, den er von sich gab, keineswegs. »Ich wende mich an deinen analytischen Verstand«, sagte Don Juan. »Denk einen Augenblick nach und sag mir, wie du den Widerspruch zwischen der Intelligenz des Menschen als Techniker und der Dummheit des Systems seiner Überzeugungen erklärst oder der Dummheit seines widersprüchlichen Verhaltens. Die Zauberer glauben, daß die Räuber uns das System unserer Überzeugungen, unsere Vorstellung von Gut und Böse, unsere gesellschaftlichen Sitten gegeben haben. Sie bringen unsere Hoffnungen und Erwartungen hervor und unsere Träume von Erfolg oder Versagen. Von ihnen stammen Verlangen, Gier und Feigheit. Die Raubwesen sind es, die uns zufrieden und egoistisch und zu Gewohnheitstieren machen.«
    »Aber wie können sie das tun, Don Juan?« fragte ich, irgendwie noch mehr verärgert über das, was er sagte. »Flüstern sie uns das alles ins Ohr, während wir schlafen?« »Nein, so geschieht das nicht. Das ist idiotisch!« sagte Don Juan lächelnd. »Sie sind unermesslich viel effizienter und systematischer. Um uns gehorsam, demütig und schwach zu halten, haben die räuberischen Wesen zu einem ungeheuerlichen Manöver gegriffen - ungeheuerlich natürlich vom Standpunkt eines Kampfstrategen. Und es ist ein schreckliches Manöver vom Standpunkt derer, die darunter leiden. Sie haben uns ihr Bewusstsein gegeben! Verstehst du? Die Räuber geben uns ihr Bewusstsein, das unser Bewusstsein wird. Ihr Bewusstsein ist verschlungen, widersprüchlich, verdrießlich und von der Angst erfüllt, jederzeit entdeckt zu werden. Ich weiß, du hast zwar nie Hunger gelitten«, fuhr er fort, »aber trotzdem hast du Angst um deine Nahrung. Und das ist nichts anderes als die Angst des Räubers. Er fürchtet, seine Machenschaften könnten jeden Moment aufgedeckt und ihm dadurch die Nahrung entzogen werden. Durch das Bewusstsein, das schließlich ihr Bewusstsein ist, lassen die Raubwesen in das Leben der Menschen einfließen, was immer vorteilhaft für sie selbst ist. Auf diese Weise erreichen sie ein gewisses Maß an Sicherheit, die als Schutzwall vor ihren Ängsten steht.«
    »Es ist nicht so, Don Juan, daß ich das nicht alles für bare Münze nehmen kann«, sagte ich. »Das könnte ich, aber es hat etwas so Ekelhaftes an sich, daß es mich abstößt. Es zwingt mich zum Widerspruch. Wenn es wahr ist, daß sie uns fressen, wie tun sie es?«
    Don Juan lächelte. Er freute sich königlich. Er erklärte, daß die Zauberer Menschenkinder als eigenartige, leuchtende Energiebälle sehen, die völlig von einer glänzenden Hülle bedeckt sind, so etwas wie einem Plastiküberzug, der eng an ihrem Energiekokon anliegt. Die Räuber verschlingen diese leuchtende Hülle des Bewusstseins. Zum Zeitpunkt, an dem der Mensch erwachsen wird, ist von der leuchtenden Hülle des Bewusstseins nur noch ein schmaler Rand übrig, der vom Boden bis über die Zehen reicht. Dieser Rand ermöglicht es den Menschen gerade noch, am Leben zu bleiben.« Wie im Traum hörte ich, wie Don Juan erklärte, daß sich seines Wissens beim Menschen als einziger Spezies die leuchtende Hülle des Bewusstseins außerhalb des leuchtenden Kokons befindet. Deshalb werde der Mensch zur leichten Beute für ein Bewusstsein anderer Ordnung, wie dem schwerfälligen Bewusstsein der Räuber. Darauf folgte eine Aussage, die vernichtender war als alles, was er jemals zuvor geäußert hatte. Er sagte, dieser schmale Rand des Bewusstseins ist das Epizentrum der Selbstreflexion, in dem der Mensch unabänderlich gefangen ist. Dadurch, daß die räuberischen Wesen mit der Selbstreflexion ihr Spiel treiben,

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