Das Wirken der Unendlichkeit
unvergleichlicher Mühelosigkeit jeden Gefallen und jeden Dienst, den ihnen jemand leistet. Auf diese Weise entledigen sie sich der Last, eine Schuld zu haben.« Ich hatte meine Schulden bezahlt, oder ich war dabei, jeden zu bezahlen,
der mir mit seiner Zuwendung oder seinem Rat geholfen hatte. Ich hatte mein Leben so gewissenhaft rekapituliert, daß ich alles, aber auch alles genau unter die Lupe genommen hatte. Damals glaubte ich allen Ernstes, ich schulde niemandem mehr etwas. Ich äußerte meine Überzeugung und mein Zögern. Don Juan bestätigte mir, daß ich in der Tat mein Leben sorgfältig rekapituliert hatte. Doch, so fügte er hinzu, ich sei noch weit davon entfernt, schuldenfrei zu sein. »Was ist mit deinen Gespenstern?« fragte er. »Ich meine alle, die du nicht mehr erreichen kannst?« Ich verstand, was er meinte. Während meiner Rekapitulation hatte ich ihm jedes Ereignis meines Lebens berichtet. Aus den zahllosen Dingen, die ich ihm erzählte, hatte er drei Ereignisse als Beispiele für Schulden ausgewählt, die ich sehr früh in meinem Leben gemacht hatte. Hinzu kommt, so sagte er, daß ich dem Menschen Dank schulde, der am Zustandekommen meiner Begegnung mit Don Juan mitgewirkt hatte. Ich hatte mich bei meinem Freund aufrichtig bedankt und hatte auch das Gefühl, von dort draußen sei mein Dank erwidert worden. Die anderen drei blieben jedoch Geschichten aus meinem Leben. Es waren Geschichten von Menschen, von denen mir jeder ein unvorstellbar wertvolles Geschenk gemacht und für das ich mich nie bedankt hatte. Bei der einen Geschichte ging es um einen Mann, den ich als Kind gekannt hatte. Er hieß Leandro Acosta. Es war der Erzfeind meines Großvaters, das schwere Kreuz seines Lebens. Mein Großvater hatte diesen Mann wiederholt beschuldigt, Hühner aus seiner Hühnerfarm zu stehlen. Der Mann war kein Landstreicher, aber er hatte keine ordentliche Arbeit. Er war ein Außenseiter, ein Spieler und auf vielen Gebieten bewandert. Er reparierte alles, er kurierte Krankheiten, er war ein Jäger, er sammelte Pflanzen und Insekten für die Kräuterhändler und Ärzte der Umgebung und beschaffte für die Präparatoren und Tierhandlungen alle erdenklichen Vögel und Säugetiere.
Die Leute glaubten, er verdiene unendlich viel Geld, ohne es in der Tasche behalten oder sinnvoll anlegen zu können. Seine Feinde und Freunde waren sich darin einig, daß er ein blühendes Geschäft hätte haben können, wenn er sich auf das beschränkt hätte, was er wirklich verstand wie kein anderer - das Sammeln von Pflanzen und das Jagen von Tieren. Aber eine seltsame Gemütsverfassung machte ihn ruhelos und führte dazu, daß es ihm nicht gelang, sich etwas mit Ausdauer zu widmen. Ich war acht Jahre alt, als ich eines Tages am Rand der Farm meines Großvaters einen Spaziergang machte und bemerkte, daß mich jemand im Schutz des dichten Buschwerks am Rand des Dschungels beobachtete. Es war Senor Acosta. Er hockte verborgen im dichten Gebüsch, und nur der scharfe Blick meiner jungen Augen hatte ihn entdeckt.
»Kein Wunder, daß Großvater glaubt, er stiehlt seine Hühner«, dachte ich. Ich war sicher, niemand außer mir hätte ihn entdeckt, denn er rührte sich nicht und war dadurch völlig verborgen. Ich hatte den Unterschied zwischen seiner Gestalt und den Büschen mehr gespürt als gesehen. Ich näherte mich ihm. Meine Neugier war groß, weil die Leute ihn entweder in aller Entschiedenheit haßten oder vehement verteidigten. »Was machen Sie hier, Senor Acosta?« fragte ich ihn vorwurfsvoll.
»Ich hocke da und scheiße, während ich mir die Farm deines Großvaters ansehe«, erwiderte er. »Es ist besser, du verschwindest, bevor ich aufstehe, wenn du den Gestank von Scheiße nicht magst.«
Ich entfernte mich etwas. Ich wollte wissen, ob er wirklich das tat, was er behauptet hatte. In der Tat, er hatte nicht gelogen. Er stand auf. Ich dachte, er würde aus dem Busch hervorkommen, das Gelände meines Großvaters überqueren und vielleicht zur Straße gehen. Aber das tat er nicht. Er verschwand tiefer im Dschungel. »He, Senor Acosta!« rief ich. »Kann ich mitkommen?« Er blieb stehen. Aber wieder ahnte ich es mehr, als daß ich es sah, denn das Buschwerk war sehr dicht.
»Das kannst du, wenn du einen Weg durch den Busch findest«, erwiderte er.
Das fiel mir nicht schwer. In meiner freien Zeit hatte ich den Zugang mit einem gut sichtbaren Stein gekennzeichnet. Nach endlos langen Versuchen hatte ich herausgefunden, daß
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