Das Wirken der Unendlichkeit
musste. Er erschien eines Tages übel zugerichtet bei mir. Er hatte eine geschwollene Lippe und ein dickes rotes linkes Auge, das sich nach einem Faustschlag allmählich blau färbte. Noch ehe ich ihn fragen konnte, was geschehen war, erklärte er, Patricia, seine Frau, sei beruflich am vergangenen Wochenende auf einer Tagung von Immobilienmaklern gewesen und ihr sei etwas Schreckliches widerfahren. Nach Petes Aussehen zu urteilen, glaubte ich, Patricia sei vielleicht bei einem Unfall verletzt worden oder sogar ums Leben gekommen.
»Geht es ihr gut?« fragte ich aufrichtig besorgt. »Natürlich geht es ihr gut!« schnaubte er. »Sie ist geil und eine Hure! Und geilen Huren passiert nichts anderes, als daß sie gebumst werden. Und das gefällt ihnen!« Pete tobte. Er zitterte und bebte. Seine dichten Haare waren zerzaust. Normalerweise kämmte er seine natürlich gelockten Haare stets ordentlich. Diesmal sah er mit seiner Mähne so wild aus wie ein tasmanischer Teufel.
»Bis heute war alles normal«, fuhr mein Freund fort. »Aber heute morgen, als ich aus der Dusche kam, schlug sie mit dem Handtuch auf meinen nackten Hintern. Da habe ich den ganzen Scheiß begriffen! Ich wusste sofort, daß sie es mit einem anderen treibt.« Ich konnte seiner Argumentation nicht folgen und stellte ihm eine Frage. Ich wollte wissen, wie ein Schlag mit einem Handtuch so etwas wie einen Seitensprung ans Licht bringen konnte.
»Ein Dummkopf würde natürlich nchts merken!« antwortete er haßerfüllt. »Aber ich kenne meine Patricia! Am Donnerstag, also vor der Tagung der Immobilienmakler, konnte sie noch nicht mit einem Handtuch auf meinen Hintern schlagen! Solange wir verheiratet sind, hat sie das nie gekonnt! Jemand musste es ihr gezeigt haben, und zwar nackt! Also habe ich sie an der Gurgel gepackt und die Wahrheit aus ihr herausgewürgt! Jawohl! Sie treibt es mit ihrem Chef!« Pete erzählte, er sei postwendend zu Patricias Büro gefahren, um ihren Chef zur Rede zu stellen, aber der Mann wurde von Leibwächtern gut bewacht. Die Kerle hatten ihn auf den Parkplatz geschleppt. Er wollte die Fenster des Büros einschlagen und Steine auf sie werfen, aber die Leibwächter hatten ihn gewarnt und gesagt, dann würde er im Gefängnis landen oder noch schlimmer, er würde eine Kugel in den Kopf bekommen. »Haben sie dich zusammengeschlagen, Pete?« fragte ich.
»Nein«, murmelte er zerknirscht. »Ich bin die Straße entlang gelaufen und zu einem Gebrauchtwarenhändler gegangen. Ich habe dem ersten Verkäufer, der mich ansprach, eine reingehauen. Der Mann war schockiert, aber er wurde nicht wütend. Er sagte: >Beruhigen Sie sich, Sir, beruhigen Sie sich! Man kann über alles reden.< Als ihn mein nächster Schlag auf den Mund traf, hatte er genug. Es war ein großer Mann. Er versetzte mir einen Schlag auf Mund und Auge und schlug mich bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam«, fuhr Pete fort, »lag ich auf der Couch in dem Büro. Ich hörte die Sirene eines Rettungswagens. Ich wusste, sie hatten die Ambulanz gerufen. Deshalb bin ich aufgesprungen und abgehauen. Danach bin ich zu dir gekommen.«
Er fing hemmungslos an zu weinen. Er musste sich übergeben. Er war völlig am Ende. Ich rief seine Frau an. Zehn Minuten später war sie in meiner Wohnung. Sie kniete vor Pete nieder und beteuerte, daß sie nur ihn liebe. Alles andere sei nichts als reine Dummheit gewesen. Und ihre Liebe, so sagte sie, sei eine Sache von Leben oder Tod. Die anderen Männer seien für sie wie Luft. Sie könne sich nicht einmal an sie erinnern. Die beiden weinten zusammen und verziehen sich natürlich. Patricia trug eine Sonnenbrille, um die Beule am rechten Auge zu verdecken, wo Pete sie geschlagen hatte - Pete war Linkshänder. Mich hatten die beiden offenbar vergessen. Als sie gingen, beachteten sie mich überhaupt nicht. Sie gingen einfach davon, ließen die Tür offen stehen und umarmten sich.
Das Leben schien für mich ganz normal weiterzugehen. Meine Freunde verhielten sich mir gegenüber wie immer. Wie üblich gingen wir zu Partys oder ins Kino, oder wir redeten einfach miteinander oder hielten Ausschau nach Restaurants, wo man für den Preis eines Menüs soviel essen konnte, wie man wollte. Doch trotz der Pseudonormalität schien sich ein eigenartiger neuer Faktor in mein Leben eingeschlichen zu haben. Da ich das alles bewusst erlebte, hatte ich den Eindruck, ich sei plötzlich äußerst kleinlich geworden. Ich hatte angefangen, meine Freunde zu verurteilen,
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