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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Flasche und die beiden Gläser abzustellen, die ich in den Händen hielt. Ich besaß noch soviel Geistesgegenwart, die beiden Baccarat-Gläser auf den Boden zu stellen, ohne sie zu zerbrechen. Die Flasche rollte durch das Zimmer, weil sie meine Eier packte, als seien sie aus Stein. Ich wollte ihr eine runterhauen. Ich schrie vor Schmerz auf, aber das beeindruckte sie nicht. Sie kicherte wie verrückt, denn sie fand mich niedlich und sexy. Das hat sie gesagt, als wollte sie mich beruhigen.« Er schüttelte in verhaltenem Zorn den Kopf und sagte, die Frau sei so verdammt geil und völlig egoistisch, daß sie nicht daran gedacht habe, daß ein Mann einen Augenblick Ruhe brauche, daß er sich entspannen und sich in einer angenehmen Umgebung zu Hause fühlen müsse. Aber anstatt Verständnis und Einfühlungsvermögen zu zeigen, wie es ihre Rolle verlangte, habe Theresa Manning ihm mit der Geübtheit einer Frau, die so etwas schon unzählige Male gemacht hat, das Geschlechtsteil aus der Hose geholt.
    »Und das Ergebnis von dem ganzen Scheiß...«, murmelte er. »Meine sinnlichen Gefühle sind vor Abscheu in sich zusammengefallen. Ich war emotional entmannt. Meinem Körper war diese Scheiß-Frau sofort zuwider, aber mein sexuelles Verlangen hielt mich davon ab, sie auf der Stelle vor die Tür zu setzen.« Der Psychiater berichtete, er wollte nicht wegen seiner Impotenz jämmerlich das Gesicht verlieren, wie es unausweichlich zu sein schien, und habe sich entschlossen, mit ihr oralen Sex zu haben, damit sie zu einem Orgasmus kam und ihm dann völlig ausgeliefert war. Aber sein Körper lehnte sich so sehr gegen diese Frau auf, daß er auch das nicht über sich brachte.
    »Die Frau war nicht einmal mehr hübsch«, sagte er, »sondern häßlich! Wenn sie angezogen ist, verschwinden die Wülste an ihren Hüften unter den Kleidern. Sie sieht gut aus. Aber nackt ist sie ein fetter Sack mit wabbligem weißem Fleisch. Angezogen scheint sie schlank zu sein, aber das ist eine Täuschung. In Wirklichkeit ist sie dick.« Der Psychiater wurde so giftig, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Er bebte vor Zorn. Dabei versuchte er mit aller Macht, gelassen zu wirken, und rauchte eine Zigarette nach der anderen.
    Er sagte, der orale Sex sei noch verrückter und widerlicher gewesen. Er hätte sich gerade übergeben wollen, als das verdammte Weib ihm einen Tritt in den Bauch versetzte und ihn aus dem eigenen Bett auf den Boden warf, ihn beschimpfte und eine impotente Schwuchtel nannte.
    An diesem Punkt der Erzählung glühten die Augen des Psychiaters vor Haß. Seine Lippen zitterten. Er war blaß. »Ich muss in dein Bad«, sagte er. »Ich möchte auf der Stelle duschen. Ich stinke. Ob du es glaubst oder nicht, mein Atem riecht nach Möse.«
    Er fing an zu weinen, und ich hätte alles auf der Welt gegeben, um nicht bei ihm zu sein. Vielleicht lag es an meiner Müdigkeit oder an seiner hypnotischen Stimme oder einfach an der verrückten Situation, daß ich den Eindruck hatte, nicht den Psychiater zu hören, sondern die Stimme eines der Probanden auf seinen Bändern, der über belanglose Dinge klagt, die er zu gigantischen Problemen gemacht hat, indem er wie besessen darüber redet. Die qualvolle Sitzung endete gegen neun Uhr morgens. Ich musste zur Vorlesung und der Psychiater zu seinem Analytiker. «
    Tief beunruhigt und mit einem schrecklichen Gefühl von Unbehagen und Nutzlosigkeit ging ich zur Vorlesung. Dort erhielt ich den letzten Schlag. Unter diesem Schlag löste sich mein Versuch, mein Leben grundlegend zu ändern, in Nichts auf. Es geschah ohne mein eigenes Zutun. Alles ereignete sich nicht nur, als sei es sorgfältig vorbereitet, sondern so, als sei der Ablauf der Ereignisse von unbekannter Hand beschleunigt worden. Der Anthropologieprofessor begann seine Vorlesung über eine Gruppe Indianer der Hochebenen von Bolivien und Peru, den Aymarä. Er sprach von den >Ey-meh-ra< und dehnte den Namen, als sei seine Aussprache die einzig richtige. Er berichtete, die Herstellung von Chicha - man spricht es >tschietscha< aus, bei ihm wurde daraus >tschaltscha< -, einem alkoholischen Getränk aus vergorenem Mais, sei einer Sekte von Priesterinnen vorbehalten, die bei den Aymarä als halb göttlich galten. Der Professor berichtete im Ton einer Enthüllung, diese Frauen hätten die Aufgabe, den gekochten Mais in einen Brei zu verwandeln, der dann zum Fermentieren bereit sei, indem sie den Mais kauten und in den Brei spuckten. Auf diese Weise

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