Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
Und bleibe auf der Ebene deiner Gefühle. Kannst du mir sagen, was ohne deine Selbstüberschätzung als unveränderlicher Rest bleibt?«
    »Meine unbeeinflußbare Liebe«, erwiderte ich beinahe unter Tränen.
    »Und hat sich diese Liebe heute gegenüber damals verringert?« fragte Don Juan.
    »Nein, bestimmt nicht, Don Juan«, erwiderte ich in aller Aufrichtigkeit und spürte wieder die Qual, die mich seit Jahren nicht losließ.
    »Diesmal musst du sie aus deiner Stille heraus umarmen«, sagte er. »Sei kein alberner Dummkopf. Umarme sie zum letzten Mal ohne alle Vorbehalte. Aber du musst wollen, daß es das letzte Mal auf Erden ist. Du musst es aus deiner Dunkelheit heraus, wollen.
    Falls etwas los ist mit dir«, fuhr er fort, »dann faßt du dein ganzes Leben zweimal zusammen, wenn du ihnen ein Geschenk machst. Solche Handlungen machen einen Krieger leicht, fast so leicht wie Luft.« Ich befolgte Don Juans Befehl und machte mich an die Aufgabe. Ich hatte begriffen, wenn ich nicht siegreich daraus hervorging, würde nicht nur Don Juan verlieren. Auch ich würde etwas verlieren, und was ich verlieren würde, war für mich ebenso wichtig wie das, was für Don Juan, wie er erklärt hatte, wichtig war. Ich würde die Möglichkeit verlieren, vor der Unendlichkeit zu stehen und mir dessen bewusst zu sein.
    Die Erinnerung an Patricia Turner und Sandra Flanagan machte mir sehr zu schaffen. Das niederschmetternde Gefühl eines unersetzlichen Verlusts hatte mich all die Jahre verfolgt und war so lebendig wie eh und je. Als Don Juan das Gefühl noch verstärkte, wusste ich ohne jeden Zweifel, es gibt bestimmte Dinge, die im Sinne von Don Juan ein Leben lang und vielleicht darüber hinaus mit uns verbunden bleiben. Ich musste Patricia Turner und Sandra Flanagan finden. Don Juan hatte unmißverständlich erklärt, wenn ich die beiden finden würde, könnte ich nicht bei ihnen bleiben. Ich hatte nur die Zeit, jede der beiden mit all der Zuneigung, die ich empfand, zu versöhnen und sie meine Liebe spüren zu lassen, ohne jeden Vorwurf, Selbstmitleid oder Egoismus. Ich machte mich an die schwierige Aufgabe herauszufinden, was aus ihnen geworden war und wo sie inzwischen wohnten. Ich erkundigte mich zunächst bei den Leuten, die ihre Eltern kannten. Die Eltern von beiden hatten Los Angeles verlassen, und niemand konnte mir einen Hinweis geben, wo ich sie finden könnte. Es gab auch keinen Menschen, den ich sonst hätte fragen können. Ich erwog eine Anzeige in der Zeitung. Aber dann dachte ich, sie seien vielleicht aus Kalifornien weggezogen. Schließlich musste ich einen Privatdetektiv mit der Suche beauftragen. Durch seine Verbindungen zu Behörden und weiß Gott wem gelang es ihm, sie innerhalb von wenigen Wochen ausfindig zu machen. Sie wohnten beide in New York, nicht weit voneinander entfernt, und waren noch immer so befreundet wie früher. Ich flog nach New York und ging zuerst zu Patricia Turner. Sie war kein Star am Broadway geworden, wie sie es gewollt hatte, aber sie war an einer Produktion beteiligt. Ich wollte nicht wissen, ob sie als Schauspielerin auf der Bühne stand oder eine organisatorische Aufgabe hatte. Ich besuchte sie in ihrem Büro. Sie sagte mir nicht, was sie tat. Aber sie verlor bei meinem Anblick die Fassung. Wir saßen nebeneinander, hielten uns an den Händen und weinten. Ich berichtete ihr nicht, was ich tat. Ich erzählte ihr nur, ich sei gekommen, um sie zu sehen, weil ich ihr ein Geschenk machen wolle, um meine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, und ich stehe vor einer Reise, von der ich nicht zurückkommen werde.
    »Was sind das für rätselhafte oder ominöse Worte?« fragte sie erschrocken. »Was hast du vor? Bist du krank? Du siehst gesund aus.«
    »Das war nur metaphorisch gemeint«, sagte ich beruhigend. »Ich gehe nach Südamerika zurück und will dort mein Glück machen. Die Konkurrenz ist groß, und die Bedingungen sind hart, mehr nicht. Wenn ich es schaffen will, dann muss ich meine ganze Kraft mobilisieren.« Sie schien erleichtert und umarmte mich. Sie hatte sich nicht verändert. Sie schien nur noch größer, noch stärker, noch erwachsener zu sein und sah sehr elegant aus. Ich küßte ihr die Hände, und meine Liebe zu ihr überwältigte mich. Don Juan hatte recht. Da ich mir alle Vorwürfe versagte, hatte ich bei dieser Begegnung nur Gefühle. »Ich möchte dir etwas schenken, Patricia«, sagte ich. »Du kannst dir alles wünschen, und wenn ich es bezahlen kann, dann wirst du es

Weitere Kostenlose Bücher