Das Wirken der Unendlichkeit
von mir bekommen.« »Bist du reich geworden?« fragte sie und lachte. »Das Großartige an dir ist, daß du nie etwas hattest und nie etwas haben wirst. Sandra und ich, wir reden beinahe jeden Tag von dir. Wir stellen uns vor, du parkst die Wagen für andere, läßt dich von Frauen aushallen, et cetera, et cetera. Es ist furchtbar, aber wir können nichts dagegen tun, wir lieben dich noch immer.« Ich bestand darauf, daß sie mir sagte, was sie von mir geschenkt haben wollte. Sie fing an zu weinen und gleichzeitig zu lachen.
»Kaufst du mir einen Nerzmantel?« fragte sie schluchzend.
Ich strich ihr über die Haare und versprach, ihr den Wunsch zu erfüllen.
»Wenn dir der Mantel nicht gefällt, kannst du ihn umtauschen und dir das Geld dafür geben lassen«, sagte ich. Sie lachte und stieß mich in die Seite, wie sie es immer getan hatte. Sie musste wieder an die Arbeit, und wir trennten uns, nachdem ich ihr versprochen hatte, ich werde sie noch einmal besuchen. Aber, fügte ich hinzu, wenn ich das nicht tun würde, dann solle sie wissen, daß die Kraft, die mein Leben bestimmt, mich hierhin und dorthin zieht, doch die Erinnerung an sie werde mich für den Rest meiner Erdentage und vielleicht darüber hinaus begleiten.
Ich kam noch einmal zurück, aber nur, um von weitem zu sehen, wie ihr der Nerzmantel überbracht wurde. Ich hörte ihre Rufe der Freude und Begeisterung. Dieser Teil meiner Aufgabe war erledigt, aber ich fühlte mich nicht so leicht wie Luft, wie Don Juan es mir prophezeit hatte. Ich hatte eine alte Narbe geöffnet, und die Wunde blutete wieder. Es regnete nicht, aber ein feiner Nebel schien alles zu durchdringen. Ich spürte die Kälte bis ins Mark meiner Knochen.
Als nächstes besuchte ich Sandra Flanagan. Sie wohnte in einem Vorort von New York, den ich mit dem Zug erreichen konnte. Ich klopfte an ihre Tür. Sandra öffnete und starrte mich an, als sei ich ein Gespenst. Sie wurde leichenblaß. Sie war schöner denn je, vielleicht weil sie rundlicher geworden war. Sie wirkte so groß wie ein Haus. »Oh, du, du, du!« stammelte sie und war offenbar nicht in der Lage, meinen Namen auszusprechen. Sie schluchzte, und einen Augenblick lang schien es, als sei sie verärgert und werde mir Vorwürfe machen. Ich gab ihr dazu keine Gelegenheit. Meine Stille war absolut. Schließlich ließ sie sich davon anstecken. Sie führte mich ins Haus, und wir setzten uns ins Wohnzimmer. »Was machst du hier?« fragte sie etwas ruhiger. »Du kannst unmöglich bleiben! Ich bin verheiratet und habe drei Kinder! Und meine Ehe ist sehr glücklich.« Sie redete wie ein Maschinengewehr und berichtete, ihr Mann sei sehr zuverlässig, aber nicht besonders phantasievoll. Er sei jedoch ein guter Mann, kein sinnlicher Typ, so daß sie sich zurückhalten musste, denn wenn sie miteinander schliefen, wurde es ihm oft übel. Manchmal konnte er nicht zur Arbeit gehen, und er wurde leicht krank. Aber sie hatte von ihm drei schöne Kinder. Nach dem dritten Kind hatte ihr Mann, er hieß offenbar Herbert, einfach nicht mehr mit ihr geschlafen. Er hatte nicht mehr die Kraft dazu, aber das war für sie nicht weiter wichtig.
Ich versuchte, sie zu beruhigen, und versicherte ihr immer wieder, ich sei nur kurz zu Besuch gekommen. Es sei nicht meine Absicht, ihr Leben zu ändern oder sie in irgendeiner Weise zu behelligen-. Ich beschrieb, wie schwer es gewesen sei, ihre Adresse ausfindig zu machen. »Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden«, sagte ich schließlich. »Und ich wollte dir sagen, daß du die große Liebe meines Lebens bist. Ich wollte dir ein besonderes Geschenk machen. Es soll ein Symbol meiner Dankbarkeit und meiner unsterblichen Liebe sein.« Meine Worte schienen sie sehr zu berühren. Sie lächelte offen, so wie früher. Die Lücke zwischen ihren Zähnen gab ihr ein kindliches Aussehen. Ich gestand ihr, sie sei schöner denn je. Aus meiner Sicht war das die reine Wahrheit.
Sie lachte und sagte, sie werde eine strenge Diät machen. Hätte sie von meinem Kommen gewußt, hätte sie mit der Diät schon längst angefangen. Aber sie würde jetzt anfangen. Und bei meinem nächsten Besuch würde sie wieder so schlank sein wie früher. Sie sprach von dem Alptraum unseres Zusammenlebens und erwähnte immer wieder, wie nahe ihr das alles gegangen sei. Sie hatte sogar mit dem Gedanken an Selbstmord gespielt, obwohl sie eine gläubige Katholikin war. Schließlich hatte sie bei ihren Kindern den Trost gefunden, den sie
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