Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
Vom Netzwerk:
beiden Freundinnen bezeichnet hatte und die mir sehr viel bedeuteten, am Anfang meines Studiums kennengelernt. Ich wohnte in der Wohnung über der Garage eines Hauses, das Patricia Turners Eltern gehörte. Als Gegenleistung für Unterkunft und Verpflegung reinigte ich den Swimmingpool, fegte das Laub, brachte den Abfall auf die Straße und machte für mich und Patricia das Frühstück. Ich war also der Mann für alles im Haus und der Chauffeur der Familie. Ich fuhr Mrs. Turner zum Einkaufen, und ich besorgte Alkohol für Mr. Turner, den ich in das Haus schmuggeln musste und dann in sein Arbeitszimmer.
    Er war im Vorstand einer Versicherungsgesellschaft und ein heimlicher Trinker. Er hatte seiner Familie versprochen, nie mehr eine Flasche anzurühren, nachdem es durch sein exzessives Trinken zu ernsthaften familiären Streitigkeiten gekommen war. Er gestand mir, daß er schon fast trocken sei, aber von Zeit zu Zeit noch einen Schluck brauche. Sein Arbeitszimmer durfte natürlich außer mir niemand betreten. Ich sollte es in Ordnung halten, aber in Wirklichkeit versteckte ich nur seine Flaschen in einem Balken, der scheinbar einen Bogen an der Decke des Arbeitszimmer stützte, aber in Wirklichkeit hohl war. Ich musste die Flaschen unbemerkt in das Zimmer schmuggeln und ebenso unbemerkt die leeren Flaschen wieder herausbringen und sie dann in die Mülltonnen des Alkoholladens werfen.
    Patricia studierte im Hauptfach Theater und Musik und war eine sehr gute Sängerin. Sie wollte am Broadway in Musicals singen. Selbstverständlich verliebte ich mich unsterblich in Patricia. Sie war schlank und sportlich, hatte braune Haare, ein schmales Gesicht und war etwa einen Kopf größer als ich - die entscheidende Voraussetzung, um mich wahnsinnig in eine Frau zu verlieben.
    Ich schien in ihr ein starkes Bedürfnis zu erfüllen. Es war das Bedürfnis, jemanden zu bemuttern, besonders als sie feststellte, daß ihr Daddy mir absolut vertraute. Sie wurde meine kleine Mami. Ich konnte ohne ihre Billigung nicht einmal den Mund öffnen. Sie wachte wie ein Falke über mich. Sie schrieb sogar Seminararbeiten für mich, las Lehrbücher und machte dann die Zusammenfassungen. Mir gefiel das, aber nicht, weil ich bemuttert werden wollte. Ich glaube, dieses Bedürfnis war nie Teil meiner Wahrnehmung. Ich freute mich darüber, daß sie es tat. Ich fühlte mich in ihrer Gesellschaft wohl. Sie ging täglich mit mir ins Kino. Sie hatte für alle großen Filmtheater in Los Angeles Freikarten, die einer der Film-Mogule ihrem Vater schenkte. Mr. Turner benutzte die Freikarten niemals selbst. Er hielt es für unter seiner Würde, mit Freikarten in ein Kino zu gehen. Die Kartenabreißer verlangten, daß der Inhaber einer Freikarte einen Beleg unterschrieb. Patricia hatte keine Bedenken, alles zu unterschreiben, aber manchmal wollte ein pedantischer Kartenabreißer die Unterschrift von Mr. Turner. Und wenn ich dann unterschrieb, reichte nicht nur die Unterschrift von Mr. Turner. Sie verlangten auch noch den Führerschein. Einer, ein unverschämter Kerl, machte eine Bemerkung, die sowohl ihn als auch mich zum Lachen brachte, bei Patricia aber einen Wutanfall auslöste.
    »Ich glaube, Sie sind ein Mr. Scheißkerl«, sagte er mit dem boshaftesten Lächeln, das man sich vorstellen konnte, »und nicht Mr. Turner.«
    Ich hätte diese Bemerkung an mir abprallen lassen können, aber dann demütigte er uns noch mehr, indem er verhinderte, daß wir Hercules mit Steve Reeves in der Hauptrolle sahen.
    Normalerweise begleitete uns Patricias beste Freundin, Sandra Flanagan, die mit ihren Eltern im Nachbarhaus wohnte. Sandra war das Gegenteil von Patricia. Sie war ebenso groß, hatte aber ein rundes Gesicht, rosige Wangen und einen sinnlichen Mund. Sie war so gesund wie ein Waschbär und interessierte sich nicht fürs Singen. Sie hatte nur Interesse für die sinnlichen Freuden des Körpers. Sie konnte buchstäblich alles essen und trinken und - das gab mir den Rest -, wenn sie ihren Teller leer gegessen hatte, fand sie nichts dabei, auch noch meine Portion zu essen. So etwas war mir im Leben noch nicht gelungen, denn ich war ein schlechter Esser. Sie warl äußerst sportlich, aber auf eine derbe, gesunde Weise» Sie konnte boxen wie ein Mann und treten wie ein Maulesel.
    Aus Gefälligkeit für Patricia übernahm ich dieselben Pflichten bei Sandras Eltern - den Pool reinigen, die Blätter vom Rasen fegen, an den Mülltagen den Abfall auf die Straße stellen und Papier

Weitere Kostenlose Bücher