Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
an. »Was ist so dringend, dass du bei mir im Büro vorbeikommst?«
»Kim«, erwiderte Alex, zog die Tür hinter sich zu und ließ seine lange Gestalt auf der Stuhlkante nieder.
»Kim«, nickte Jenna und drehte einen Stift zwischen den Fingern. »Sag mir nicht, sie hätte sich bei dir über mich beklagt.«
Alex räusperte sich. »Nicht direkt«, murmelte er.
Jenna zog die rechte Augenbraue hoch. Sie wusste, dass diese Geste Alex schon immer irritiert hatte. Er konnte es nicht.
»Ähhh …«, fuhr Alex nun ziemlich sinnlos fort, bevor er sich gesammelt hatte. »Hast du ihre letzten Noten gesehen?«
»Was glaubst du denn, wer dieses Fiasko regelmäßig abzeichnet?«, seufzte Jenna. »Natürlich. Und sie hat sich den ersten Teil ihrer Predigt bei mir auch schon abgeholt.«
»Deine Predigten laufen aber ins Leere. Oder lernt sie jetzt?« Alex wickelte nervös seinen Schal immer wieder um seine Hände und wieder ab.
»Pff«, machte Jenna und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Ich habe ihr Ausgehverbot erteilt, bis sie weiß, wie es ihrer Meinung nach weitergehen soll. Heute Abend müssen wir ein ernstes Gespräch führen, und ich werde es ihr nicht leicht machen, versprochen.«
Alex nickte. »Sie hat mir eine SMS geschickt.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Was werden wir tun?«
»Was wir tun werden? Habe ich dich richtig verstanden? Wir? Die Frage ist doch, was werde ich tun? Danke für die Hilfe, meine Lieber. Na, ich werde einen Termin in der Schule vereinbaren. Ich werde dort hingehen und fragen, ob sie wissen, woran es liegt, dass unsere Tochter nicht lernt. Ich weiß es nämlich nicht.« Jenna funkelte ihren Mann an.
Alex schaute verdutzt. »Aber so habe ich das doch gar nicht gemeint.«
»So? Wie dann? Willst du zu dem Gespräch in der Schule gehen?«
»Ich kann in den nächsten Tagen nicht«, erklärte er verlegen, »wir haben eine Konferenz.«
»Tja, und das ist genau das, was Kim braucht. Nicht wahr? Einen Vater, der im entscheidenden Moment eine Konferenz hat …«
»Du bist unfair, Jenna! Ich mache mir Sorgen um Kim, und wir sollten darüber reden können, ohne uns zu streiten.«
»Ja, zu deinen Bedingungen!« Jenna kam in Fahrt. »Verdammt, Alex, du reagierst immer erst, wenn das Dach schon brennt. Du kennst doch nur deine Arbeit! Aber ich habe den Alltag mit Kim!«
Es war wie in alten Zeiten: Sie saßen sich gegenüber und stritten sich. In der Vergangenheit hatte Alex oft nachgegeben. Er hasste Diskussionen und fühlte sich von Jennas Emotionen, die hochkochten wie in einem Drucktopf, schlichtweg überfordert. Jennas Willenskraft, ihre überbordende Gefühlswelt brachten ihn durcheinander. Alex war Chirurg. Das bedeutete, er brauchte normalerweise eine ruhige Hand und einen klaren Kopf. Bei seiner Frau gelang ihm weder das eine noch das andere.
»Wenn du bei Kim auch immer so an die Decke gehst, ist es kein Wunder, dass sie nicht mit dir redet!«, warf er ihr jetzt vor und schlug in einer Art überraschender Aufwallung mit der Handfläche auf sein Knie.
Jenna starrte ihn einen Moment sprachlos an, dann fing sie unvermittelt an zu lachen. »Wow, was für ein Gefühlsaus bruch!«, neckte sie ihn. »Aber ich schätze, das hab’ ich verdient. Ich kümmere mich darum, Alex. Okay? Ich kriege das schon hin. Nur manchmal ist sie wie eine weiße Wand.«
Ihr Mann blickte zu Boden, und Jenna malte seufzend ein paar tanzende Strichmännchen auf ihre Schreibtischunterlage.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde: Kim benimmt sich seit Wochen wie du. Sie zieht sich zurück in ihr Schneckenhaus und wartet, bis der Winter vorbei ist. Nur dass dieser Winter nie vorübergeht …«
»Das weiß ich doch schon längst«, sagte Alex. »Aber irgendwas bedrückt sie in letzter Zeit. Vielleicht ist sie unglücklich verliebt? Oder sie hat Ärger mit einem Lehrer?«
Jenna zuckte mit den Schultern. »Wenn, dann hat sie es mir zumindest nicht erzählt. Vielleicht gehst du mal mit ihr Abendessen? Ich hätte übermorgen Abend, also am Mittwoch, was vor – wär das was? Bis dahin hab ich vielleicht auch schon mit Frau Berger gesprochen. Und das Ausgehverbot betrifft ja nicht dich.«
Nun schaute Alex verwirrt. »Wer ist Frau Berger?«
»Schon wieder vergessen? Ihre Mathelehrerin. Und Stufenbeauftragte. Mit der werde ich zuerst reden.«
»Klingt nach einer guten Idee«, lenkte Alex versöhnlich ein und schaute seine Frau forschend an. In den drei Jahren seit ihrer
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