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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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er sich jetzt sicher. Wer anders konnte das sein als ein Mitarbeiter der Sicherheitsdienste? Es war höchste Zeit, sich abzusichern.
    Als er das nächste Mal mit Christian gemeinsam an der Bar stand, fasste er ihn am Ärmel.
    Â»Würdest du mir einen Gefallen tun, Christian?«
    Â»Kommt darauf an.« Sein Kollege reichte neue Bestellungen an den Barista weiter. »Wenn du wieder außerplanmäßig frei nehmen willst, kannst du das vergessen.«
    Â»Nichts dergleichen«, sagte er. »Ich möchte dir nur etwas anvertrauen.«
    Er zog zwei Schlüssel aus der Tasche und schob sie so unauffällig wie möglich seinem Kollegen hin. Dabei achtete er darauf, sie mit seinem Körper vor dem Mann, der ihn beobachtete, zu verdecken.
    Â»Was ist das?«
    Â»Ersatzschlüssel für meine Wohnung.«
    Er sah den fragenden Blick in den Augen seines Nebenmanns. »Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme«, versicherte er. »Für den Fall, dass mir etwas zustößt.«
    Â»Zustoßen? Was sollte dir zustoßen?«, fragte Christian argwöhnisch.
    Enrique hob die Hände. »Was einem eben so passiert – ein Autounfall, eine Herzattacke, du weißt schon.«
    Â»Nein, weiß ich nicht. Das kommt mir ein wenig komisch vor.«
    Â»Ich bin eben ein vorsichtiger Mensch, der für die Zukunft plant«, entgegnete Enrique. »Falls ich eines Tages nicht mehr auftauchen sollte, würde ich dich bitten, in meine Wohnung zu gehen und etwas herauszuholen.«
    Christians Skepsis war immer noch deutlich sichtbar. »Steckst du etwa in Schwierigkeiten?«
    Â»Nein, nein«, beteuerte Enrique. »Es geht um einige private Aufzeichnungen, die ich sicherstellen möchte. Nichts Verbotenes.«
    Christian nahm die Schlüssel an sich und steckte sie ein. »Und was soll ich mit diesen Aufzeichnungen machen?«
    Â»Es ist ein Notizbuch, das ich unter meinem Sofa versteckt habe«, erklärte Enrique. »Das müsstest du lediglich an einen anderen Ort bringen. In dem Buch liegt ein Zettel, auf dem die Stelle genau beschrieben ist.«
    Â»Das ist alles?«
    Â»Das ist alles«, nickte Enrique. »Aber vermutlich wird es gar nicht dazu kommen. Ich habe nicht vor, mich vom Leben zu verabschieden.« Er zwang ein Grinsen auf sein Gesicht.
    Â»Das hoffe ich auch für dich. Viel zu viele müssen zu früh gehen.« Christian nahm die Drinks vom Zapfer entgegen. Er zögerte einen Moment. »Danke für das Vertrauen«, sagte er dann und blickte Enrique direkt in die Augen. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
    Enrique blickte Christian nach, während er die Getränke auf den Tischen verteilte. Er warf einen verstohlenen Blick auf den Mann, der ihn immer noch beobachtete, und hoffte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    3.
    Astarte saß in Viktors Schreibtischstuhl und nahm die tägliche Medikamentenration aus dem kleinen Schrank unter dem Tisch. Viktor Vau hatte ausdrücklich darauf bestanden, dass sie ihre Tätigkeit in der Klinik fortsetzte, als sei nichts geschehen. So war sie seiner Meinung nach am besten davor geschützt, einen Verdacht auf sich zu lenken. Außerdem mussten die Experimente fortgeführt werden. Wenn die Studie jetzt unterbrochen wurde, waren Monate harter Arbeit umsonst gewesen.
    Sie wollte gerade wieder aufstehen, als ihr Blick an dem verschlossenen Rollcontainer zu ihrer Linken hängen blieb. Jeden Tag seit Viktors Abreise hatte sie hier gesessen, und jeden Tag hatte sie gegen die Versuchung ankämpfen müssen. Viktor hatte ihr vertraut, indem er ihr seinen Schlüsselbund gegeben hatte. Durfte sie dieses Vertrauen missbrauchen?
    Diesmal zögerte sie nur kurz. Hier ging es nicht nur um Viktor, sondern um mehr. Sie probierte, welcher Schlüssel in das Schloss des Containers passte, und zog die untere Schublade mit den Aktenhängern heraus.
    Wie sie vermutet hatte, waren es Patientenakten. Schnell ging sie mit dem Finger die Reiter mit den Namen durch. Was sie hier zu finden hoffte, wusste sie selbst nicht genau. Sie wollte nur sichergehen, nichts übersehen zu haben.
    Ziemlich am Ende der Reihe stieß sie auf eine Akte mit der Beschriftung Christian Sonntag .
    Das war doch dieser Kellner!
    Sie legte die Aktenmappe vor sich auf den Schreibtisch. Eine Störung durch eine der Schwestern oder gar einen Arzt hatte sie nicht zu befürchten. Die Schwestern wussten, dass Viktor ihr die

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