Das Wörterbuch des Viktor Vau
auf seine Armbanduhr.
Astarte verbarg ihre Enttäuschung. »Ich verstehe noch immer nicht, was das alles mit meiner Aufgabe zu tun hat.«
»Gewiss, Sie haben recht, danach zu fragen. Falls Sie für mich arbeiten, werden Sie einen Versuch beaufsichtigen, den ich mit einigen meiner Patienten durchführe. Es geht dabei um eine praktische Anwendung von Katlan.«
»Sie setzen Ihre Sprache zur Behandlung Geisteskranker ein?«
Er nickte. »Wir haben doch vorhin vom Betriebssystem des Gehirns gesprochen. Was wäre, wenn es nicht nur eines, sondern mehrere solcher Systeme gäbe? Die vorherrschende Meinung geht zwar von nur einer einzigen möglichen Lösung aus, aber meine Forschungen haben mich zu einer alternativen Hypothese geführt. So, wie Sie einen Computer, also die Hardware, mit unterschiedlichen Betriebssystemen betreiben können, von denen jedes einwandfrei funktioniert, können Sie es auch mit dem menschlichen Geist tun. Und ich habe Grund zu der Annahme, dass Katlan ein mögliches OS darstellen könnte.«
Astarte öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Vau sah erneut auf die Uhr. »Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch ein andermal fortsetzen. Die nächste Bewerberin wartet bereits.«
Vau ging zur Tür, und Astarte erhob sich widerwillig. Dieses abrupte Ende des Termins war ein schlechtes Zeichen. Auch seine Weigerung, ihr das Notizbuch zu geben und die vagen Auskünfte über seine Experimente gaben nicht viel Anlass zu Hoffnung. Trotzdem setzte sie ein zuversichtliches Lächeln auf. Immerhin hatte er eine mögliche Fortsetzung des Gesprächs angedeutet.
Vau geleitete sie zur Eingangstür zurück. Er machte fast den Eindruck, als sei er erleichtert, die Sache hinter sich gebracht zu haben.
»Also dann â¦Â«, sagte er, als sie vor der Tür standen, und streckte ihr linkisch die Hand entgegen. »Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Frau Apostolidis.«
»Ebenfalls. Wissen Sie schon, wann Sie sich entscheiden werden?«
Er schien überlegen zu müssen. »Da auch die anderen Kandidaten heute noch kommen und ich mich nicht mit irgendwelchen Bürokraten abstimmen muss, denke ich, dass ich bis morgen eine Auswahl getroffen haben werde.«
»Dann rufe ich einfach morgen Nachmittag an.«
»Tun Sie das.« Er befreite seine Hand aus ihrer. »Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen.« Astarte machte keine Anstalten zu gehen. Vau zögerte einen Moment, dann lächelte er noch einmal entschuldigend und kehrte zurück in die Klinik.
Sie wartete, bis er auÃer Sichtweite war. Dann begann sie zu fluchen. Das war ihre groÃe Chance gewesen, und sie hatte sie vertan. Vor sich hin schimpfend, ging sie die Zufahrt zur StraÃe herab. Beim Pförtner angekommen, zwang sie sich zu einem Lächeln. Sobald sie jedoch auf der StraÃe stand, brach der Ãrger auf sich selbst wieder durch.
Den ganzen Tag verbrachte sie in rastloser Unruhe. Immer wieder spielte sie das Vorstellungsgespräch im Kopf durch und überlegte, an welcher Stelle sie anders hätte reagieren können. Nicht, dass es jetzt noch etwas genutzt hätte. Sie hatte ihre Chance vertan.
Der Tag schlich mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte dahin, und am Abend fiel sie, erschöpft von dem Gedanken, versagt zu haben, auf das Bett ihres kleinen Apartments. Sie wusste, dass an Schlaf nicht zu denken war, und überlegte gerade, ob sie den Fernseher anschalten sollte, als ihr Mobiltelefon klingelte.
Die Nummer auf dem Display war ihr nicht bekannt. Mit einem Stirnrunzeln nahm sie das Gespräch an.
»Ja bitte?«
»Spreche ich mit Frau Apostolidis?«
Astarte schoss in die Höhe. »Guten Abend, Herr Professor.«
»Entschuldigen Sie die späte Störung.«
»Kein Problem«, erwiderte sie mit flatternder Stimme.
»Ich rufe um diese Stunde an, weil ich morgen überraschend verreisen muss. Und Ihnen mitteilen wollte, dass Sie die Stelle haben können, wenn Sie möchten.«
Astarte musste sich zurückhalten, um nicht vor Freude aufzuschreien.
»Das ist ⦠groÃartig«, stotterte sie. »Vielen Dank, dass Sie sich für mich entschieden haben.«
»Sind Sie denn frei und könnten sofort anfangen?«
»Was meinen Sie mit sofort?«
»Ãbermorgen. Ich weiÃ, das kommt etwas überraschend â¦Â«
»Nein, nein, das ist überhaupt kein
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