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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Zimmer zu.
    Für sein Vorhaben benötigte er Platz. Er schob das Sofa, den Sessel und den kleinen Tisch auf eine Seite des Zimmers. Über dem Teppich breitete er eine Plastikplane aus, die er ebenfalls mitgebracht hatte. Anschließend legte er sein Werkzeug bereit.
    Er hatte eigentlich keine ambulanten Aktionen mehr unternehmen wollen, aber die Stimme hatte ihm aufgezeigt, dass er es durch den regelmäßigen Wechsel seines Vorgehens den Verfolgern schwerer machte. Zudem war die heutige Prozedur dazu gedacht, den Verdacht gegen Enrique noch einmal zu verstärken.
    Ein Mobiltelefon begann zu klingeln. Er sprang auf und eilte in die Küche, aus der das Geräusch kam. Zum Glück kannte er das Modell, das auf dem Küchentisch lag. Er drückte die entsprechenden Tasten und der Ton erstarb. Die Frau würde nie mehr einen Anruf entgegennehmen.
    Er kehrte zurück ins Wohnzimmer, zog die Frau vom Sofa und hievte sie auf die Plane. Dann setzte er sich neben sie und wartete, bis sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte. Er genoss das blanke Entsetzen in den Augen seiner Opfer, wenn sie erkannten, was ihnen bevorstand. Das war Teil der gerechten Strafe, denen er sie zuführte.
    Zum wiederholten Mal wurde ihm bewusst, wie passend doch der Begriff Opfer war. Diese Frauen waren Opfer ihrer eigenen Begierden, die sie schließlich in seine Hände getrieben hatten. Und sie stellten ein Opfer dar, das er einer höheren Macht darbrachte, nicht, um für sich selbst irgendwelche Vorteile daraus zu ziehen, sondern allein ihr zu Ehren. In gewisser Weise übte er das Amt eines Hohepriesters aus, wie es vor Jahrtausenden in vielen hoch entwickelten Zivilisationen existiert hatte.
    Schließlich schlug sie die Augen auf. Sie starrte ihn mit einer Mischung aus Hass und Furcht an und zerrte an ihren Fesseln. Er beugte sich über ihr Gesicht.
    Â»Dein Leid hat sogleich ein Ende. Ich werde dir jetzt den Klebestreifen von deinem Mund entfernen. Wenn du schreist, stirbst du sofort. Hast du verstanden?«
    Die Frau bewegte den Kopf. Mit einem Ruck riss er das Klebeband von ihrem Gesicht. Sie zuckte von dem Schmerz, gab aber keinen Laut von sich. Der Florist nickte befriedigt.
    Â»Ich gebe dir jetzt die Gelegenheit, deine Sünden zu bekennen.« Er hielt ein Skalpell vor ihre Augen. »Sei ehrlich, denn jede Lüge werde ich unbarmherzig bestrafen. Reinige deine Seele von deiner Schuld, bevor du vor deinen Schöpfer trittst.«
    Â»Welche Sünden?«, stieß die Frau hervor.
    Der Florist lächelte. Es war immer dasselbe. Keines seiner Opfer war sofort bereit, seine Verfehlungen einzugestehen.
    Â»Ich spreche von den Sünden des Fleisches, mit denen du Professor Vau und Enrique da Soza ins Unglück gestürzt hast. Oder willst du leugnen, die beiden mit deinen Reizen umgarnt zu haben?« Er hielt das Skalpell wieder etwas höher, damit sie es gut sehen konnte.
    Â»Sie irren sich«, erwiderte sie. »Enrique und ich wollten Professor Vau helfen, weil er von den Sicherheitsdiensten verfolgt wurde.« Sie schluckte, und ein Schleier überzog ihre Augen. »Leider waren wir nicht erfolgreich. Professor Vau ist tot.«
    Â»Tot?« Der Oberkörper des Floristen zuckte. Es war, als hätte ihn ein Faustschlag ins Gesicht getroffen. »Der Professor ist tot?«
    Er schnellte vor und drückte das Skalpell gegen das rechte Augenlid der Frau. Ein Blutstropfen lief ihr in den Augenwinkel.
    Â»Das ist eine Lüge«, zischte er. »Professor Vaus Auftrag ist noch lange nicht beendet. Er kann nicht tot sein!«
    Die Frau hielt den Kopf starr und die Augenlider weit aufgerissen. »Professor Vau ist letzte Nacht von den Sicherheitsdiensten erschossen worden«, beteuerte sie.
    Â»Das ist nicht wahr!« Der Florist brach in Tränen aus. Er wiegte sich auf seinen Fersen hin und her. Wie konnte Professor Vau ihm das antun? Er hatte ihm geholfen, die Wahrheit zu erkennen, damals, als er bei ihm in Behandlung war. Der Florist war das Geschöpf des Professors, das in seinem Auftrag handelte. Schon bald hatte er geplant, dem Professor die Ergebnisse seiner Arbeit zu präsentieren und ihn zu bitten, ihm weitere Helfer zur Seite zu stellen, denn die Aufgabe, die es zu erledigen galt, war für einen allein nicht zu schaffen. Und jetzt sollte er einfach nicht mehr da sein?
    Nach einem Moment des Schmerzes riss er sich wieder zusammen. Nun gut, dann war er eben auf sich allein

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