Das Wörterbuch des Viktor Vau
kleinen Zeitungsladen an der Ecke, warf Geld hin und ergriff eine Tageszeitung.
Dann eilte er zum Telefon zurück.
4.
Christian Sonntag beobachtete das Haus von Vaus Assistentin seit mehreren Stunden. Er hatte sein Auto am Ende der StraÃe geparkt und mitverfolgt, wie Enrique vor dem Polizeibeamten die Flucht ergriffen hatte. Kurz darauf war der Mann zurückgekehrt und im Haus der Frau verschwunden. Etwa eine Stunde hatte er dort verbracht, bevor er wieder auf die StraÃe getreten war und sich entfernt hatte. Ohne die Frau.
Christian wartete weiter. Er hatte gelernt, Geduld zu haben. Bei seinem ersten Mord wäre er beinahe erwischt worden, weil er zu schnell gehandelt hatte und den Anweisungen der Stimme nicht gefolgt war. Das war ihm eine Lehre gewesen. Seitdem hatte er das Warten zu einer hohen Kunst entwickelt, die ihm dabei half, sich auf die bevorstehende Tat noch besser vorzubereiten. Er nutzte die Zeit, um seinen Geist von jedem überflüssigen Gedanken und jeder störenden Emotion zu befreien und sich lediglich als Werkzeug einer höheren Gewalt zu begreifen, die ihm eine Aufgabe übertragen hatte, deren Durchführung absolute Präzision erforderte.
So hatte er auch diesmal noch eine weitere Stunde in seinem Auto verbracht, bis er sich schlieÃlich bereit für die Tat fühlte. Die Frau hatte ihre Wohnung nicht verlassen, und auch der Polizist war nicht zurückgekehrt.
Christian holte eine Umhängetasche aus dem Kofferraum, in der er seine wichtigsten Werkzeuge untergebracht hatte, und verschloss das Auto. Mit langsamen Schritten näherte er sich dem Haus der Frau, und als er endlich vor ihrer Tür stand, war er nicht mehr der Oberkellner eines Bistros.
Jetzt war er nur noch der Florist.
Die Haustür war angelehnt, und er stieg die Treppen nach oben, bis er auf ihrer Etage angekommen war. Er legte das Ohr an die Tür und lauschte, konnte aber nichts dahinter vernehmen. Hatte sie das Haus vielleicht durch einen anderen Ausgang verlassen?
Er klingelte. Kurz darauf vernahm er Schritte.
»Wer ist da?«, klang es durch die Tür, obwohl sie ihn eigentlich durch den Türspion sehen musste. Aber vielleicht erkannte sie ihn nicht.
»Ich bin es, Christian, Enriques Kollege aus dem Bistro, in dem Sie und Professor Vau auch verkehren.«
»Und was wollen Sie?«
»Ich habe Dokumente, die Enriques Unschuld beweisen.«
Einen Moment der Stille. Dann: »Zeigen Sie sie mir!«
Der Florist stutzte. Damit hatte er nicht gerechnet.
Er hob die Tasche. »Sie sind hier drin. Ich möchte sie ungern im Flur auspacken.«
»Warum sollte ich Ihnen glauben?«
»Weil ich Enriques Freund bin. Aber wenn Sie ihm nicht helfen wollen â¦Â« Er lieà die Tasche sinken und drehte sich zur Treppe.
»Warten Sie!« Er hörte, wie sich ein Schlüssel drehte. Die Tür öffnete sich einen Handbreit. Die Frau sah ihn durch den Spalt skeptisch an. Notfalls würde er sich mit Gewalt Einlass verschaffen müssen, auch wenn er es vorzog, freiwillig hereingebeten zu werden.
»Ich kann Enriques Unschuld beweisen«, wiederholte er und deutete auf seine Tasche.
»Warum geben Sie die Dokumente nicht der Polizei?«
»Das kann ich nicht. Wenn Sie mir ein paar Minuten Ihrer Zeit ⦠opfern, dann erkläre ich Ihnen, warum, und lasse Ihnen die Unterlagen da.«
Sie zögerte. Der Florist bereitete sich darauf vor, die Tür aufzustoÃen, als sie schlieÃlich nachgab. »Kommen Sie herein.«
Er folgte ihr durch einen kleinen Flur in das Wohnzimmer. Sie wies auf das Sofa. »Setzen Sie sich, wenn Sie wollen.«
Er nickte und tat, als wolle er an ihr vorbeigehen. Als er direkt neben ihr stand, packte er sie und drückte ihren Kopf herunter, wobei er mit einer Hand ihren Mund verschloss. Mit der Rechten presste er ihr Gesicht ins Sofapolster, während er mit der Linken einen kaum handtellergroÃen Injektionsautomaten aus der Tasche zog, ihn ihr auf den Oberschenkel drückte und die Nadel auslöste. Wenige Augenblicke und einen für Astarte aussichtslosen Kampf später war sie bewusstlos in sich zusammengesunken.
Der Florist wusste, dass die Betäubung nur eine halbe Stunde anhalten würde. Er holte aus seiner Tasche eine Rolle Klebeband, von der er ein Stück abriss und ihr über den Mund klebte. Mit zwei weiteren Streifen band er ihre Hand- und FuÃgelenke zusammen. Dann wandte er sich dem
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