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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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anders als du.«
    Â»Du weißt doch gar nicht, wie ich bin«, erwiderte Enrique. »Aber es freut mich, dass du Marek magst.«
    Â» Mögen ist vielleicht zu viel gesagt. Aber er ist unterhaltsam.«
    Â»Im Gegensatz zu mir, meinst du?«
    Â»Bei dir bin ich mir immer noch nicht sicher. Nachher bist du der Frauenmörder und willst mich nur in eine dunkle Ecke locken, um mich abzustechen. Wer sagt mir, dass du nicht der Florist bist?«
    Enrique lachte. Dabei verflog zum ersten Mal der Ernst aus seinem Gesicht. Sie spürte noch immer, dass mit ihrem Begleiter irgendwas nicht stimmte, aber sie empfand es nicht als Bedrohung. Und bislang hatte sie sich auf ihr Gefühl immer recht gut verlassen können.
    Astarte wohnte in einem Viertel hinter dem Kuppelquartier. Die Geräusche der Kneipen waren hier nur noch als leises Hintergrundrauschen zu vernehmen. Zwischen den Straßenlaternen gab es große dunkle Stellen, und fast aus jedem Gebäude gähnte eine schwarze Toreinfahrt.
    Â»Du solltest hier nachts nicht mehr allein entlanggehen«, sagte Enrique.
    Â»Ich bin ein großes Mädchen, falls du das noch nicht gemerkt hast«, erwiderte Astarte. »Bevor ich dich kennengelernt habe, musste ich auch ohne Begleitung nach Hause gehen. Und das wird auch in Zukunft so sein, denn du wirst gewiss nicht jeden Abend als meine Eskorte bereitstehen.«
    Â»Doch, werde ich. Wenn du das willst.«
    Astarte lachte. »Ist das deine Taktik? Spielst du den Beschützer, um dich an die Mädels ranzuschmeißen?«
    Er schwieg, und sie wusste, dass er es tatsächlich ernst gemeint hatte. So ungewöhnlich das auch war. Aber es kam natürlich überhaupt nicht infrage, dass sie sich jeden Abend mit ihm traf.
    Â»Wir kennen uns gerade einmal ein paar Stunden. Da glaubst du doch nicht wirklich, dass wir uns ab sofort täglich sehen. So funktioniert das nicht.«
    Â»Und wie funktioniert es?«
    Sie war vor einem dunklen, vierstöckigen Haus stehen geblieben. »Es funktioniert so: Ich kann dir nicht sagen, ob es überhaupt ein Wiedersehen geben wird«, erklärte sie. »Wir sind einfach zu verschieden, und im Augenblick beschäftigen mich andere Dinge. Wenn wir uns wiedersehen, ist es Schicksal.«
    Â»Schicksal«, wiederholte er nur. Es schien ihm nicht zu gefallen.
    Sie deutete auf die Tür, vor der sie standen. »Hier wohne ich übrigens. Danke, dass du mich hergebracht hast.«
    Â»Ja dann …« Enrique trat unbeholfen von einem Fuß auf den anderen. Irgendwie erinnerte er sie an Professor Vau. Der war mindestens ebenso ungelenk in der Gesellschaft von Frauen.
    Â»Wollen wir uns nicht wenigstens einmal zum Kaffeetrinken treffen?«
    Astarte schwieg einen Moment. »Na schön«, willigte sie schließlich ein. »Aber versprich dir nicht zu viel davon.«
    Enriques Blick hellte sich auf. Ȇbermorgen?«
    Â»Ich denke schon. Allerdings erst gegen Abend. Hast du ein Mobiltelefon, auf dem ich dich erreichen kann?«
    Sie gab seine Nummer in ihr Telefon ein. »Okay. Ich ruf dich an, wenn ich weiß, wie lange ich arbeiten muss. Gute Nacht.«
    Sie drehte sich um und schloss die Haustür auf. Hinter sich hörte sie noch sein Gute Nacht, bevor die Tür mit einem leisen Klacken ins Schloss fiel.

ku:
Begegnungen
1.
    Dagombé
    Der Flughafen von Agua Caliente war, wie alle Neubauten der Stadt, überdimensioniert. Das Terminal allein erstreckte sich über eine Länge von einem Kilometer. Selbst in der Blütezeit der ausländischen Investitionen im Land, als alle noch von Bandas viel beschworener Infocity geträumt hatten, hatten sich die Passagiere in dem gewaltigen Glasbau verloren. Jetzt, nach dem Abklingen der Euphorie, war nur noch ein Viertel der Flugsteige in Betrieb, und selbst das zeugte vom Optimismus der Flughafenverwaltung, die am Tag nicht mehr als vierzig Flüge abzuwickeln hatte.
    Deshalb löste die schlagartig anwachsende Reisetätigkeit nach dem Fund des OWO ein hektisches Treiben aus. Die leeren Regale der Duty-free-Shops wurden zügig wieder aufgestockt, die sanitären Anlagen gereinigt und die Lautsprecheranlage repariert. Der Sicherheitsdienst bekam neue Uniformen, und an den sonst verwaisten Taxiständen warteten nun Limousinen aus dem Fuhrpark der Regierung. Lediglich die seit einem Jahr nicht mehr arbeitende Klimaanlage konnte nicht mehr rechtzeitig funktionsfähig gemacht

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