Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche

Titel: Zauberschiffe 06 - Herrscher der drei Reiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Winter
1. Loyalitäten

    Kennit betrachtete die Schriftrolle in seiner Hand. Auf dem Schreibtisch lagen die zerbrochenen Wachsstücke des Siegels von Sincure Faldin. Der ehrbare Händler hatte sich mittlerweile mit dem Verlust seiner Frau und einer seiner Töchter abgefunden. Seine Söhne und sein Schiff hatten den Angriff der Sklavenhändler auf Divvytown unbeschadet überstanden, weil sie zu der Zeit geschäftlich unterwegs gewesen waren.
    Wie Kennit Sorcor prophezeit hatte, akzeptierte Sincure Faldin die Heirat von Kennits Kapitän mit seiner überlebenden Tochter Alyssum, ohne zu zögern. Der durjanische Händler hatte schon immer über einen ausgezeichneten Instinkt dafür verfügt, wer die Macht besaß. So entsprang sicher auch diese dringende Nachricht an Kennit seinem Bemühen, sich bei dem König der Piraten einzuschmeicheln. Genau deshalb betrachtete der sie auch mit der gebotenen Skepsis.
    Die Handschrift war gestochen scharf, die Formulierungen übertrieben gedrechselt. Das erste Drittel der Seite nahm ein ausschweifender Gruß ein, dem sich die besten Wünsche für Kennits Gesundheit anschlossen. Es war typisch für den immer etwas zu pompös gekleideten Durjaner, dass er Tinte und Zeit so umständlich verschwendete, bevor er endlich zu seinen dringenden Neuigkeiten kam. Obwohl ihm das Herz in der Brust hämmerte, zwang sich Kennit, die Schriftrolle mit vollkommen unbewegter Miene zu lesen, während er sich bemühte, aus der blumigen Prosa des Händlers die Fakten herauszusieben. Offenbar hatte Faldin den Fremden misstraut, die nach Divvytown gekommen waren, und als einer der Ersten vermutet, dass es sich bei dem Schiff um ein Lebensschiff handelte. Er hatte den Kapitän und dessen Frau von seinem Sohn in seinen Laden lotsen lassen und ihnen Anekdoten erzählt, um ihnen vielleicht ihre eigenen Geschichten zu entlocken. Viel gebracht hatte es aber nicht.
    Ihre plötzliche Abreise mitten in der Nacht war genauso merkwürdig wie ihr plötzliches Auftauchen. Und die Geschichten der Männer, die das Schiff verlassen hatten, erhärteten am nächsten Tag Faldins Verdacht. An Bord befand sich eine Althea Vestrit, die behauptete, sie wäre die Eignerin der Viviace . Die Mannschaft des Lebensschiffes war eine eigenartige Mischung aus Frauen und Männern, Seeleuten und ehemaligen Sklaven, und als Kapitän fungierte ein gewisser Brashen, der vorher auf der Springeve gefahren war. Gerüchten zufolge handelte es sich bei ihm um einen Händlersohn aus Bingtown.
    Der fein säuberlich mit Tinte notierte Name brannte sich in Kennits Augen ein. Es fiel ihm schwer, sich auf die verschlungenen Buchstaben zu konzentrieren, die folgten und den neuesten Klatsch zitierten. Sie sprachen von Gerüchten, die auf Nachrichten von Brieftauben beruhten. Angeblich sammelte Jamaillia eine Flotte, die nach Norden segeln und eine Strafaktion gegen Bingtown durchführen sollte, weil die Händler den Satrapen entführt und seine Zollpier demoliert hätten. Faldin war davon überzeugt, dass der Adel von Jamaillia schon lange nach einem Vorwand gesucht hatte, Bingtown zu plündern. Offenbar hatte er jetzt einen gefunden.
    Kennit mochte diese Geschichte kaum glauben. Der Satrap sollte Jamaillia verlassen haben, nach Bingtown gesegelt und dort entführt worden sein? Die ganze Geschichte erschien ihm ziemlich abwegig. Der wesentliche Punkt der Gerüchte war natürlich, dass Jamaillia als Vergeltungsmaßnahme eine Flotte ausrüstete. Kriegsschiffen, die zielstrebig durch die Gewässer der Pirateninseln segelten, sollte man besser aus dem Weg gehen. Wenn sie jedoch mit ihrer Kriegsbeute zurückkehrten, waren sie eine fette Prise. Seine Seeschlangen würden dafür schon sorgen, dass dieser Piratenzug nahezu mühelos vonstatten ging.
    Die Botschaft schloss mit einem weiteren Schwall demütiger Komplimente und guter Wünsche sowie einer ziemlich dreisten Erinnerung an Kennit, nicht zu vergessen, dass Sincure Faldin ihm diese Nachrichten geschickt hatte. Faldins Unterschrift war eine komplizierte Signatur in zwei verschiedenen Farben, der ein geschmackloses Postskript folgte, in dem der Händler beschrieb, wie prall Alyssum mittlerweile von Sorcors Samen angeschwollen war.
    Kennit legte die Schriftrolle auf den Schreibtisch und sah zu, wie sich das verdammte Ding wieder aufrollte. Sorcor und die anderen, die sich in seiner Kabine versammelt hatten, standen regungslos da und warteten auf die Neuigkeiten. Der Bote hatte Faldins nachdrücklichen Befehl

Weitere Kostenlose Bücher