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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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gewisse Übereinstimmungen zu geben, auch wenn das zu diesem Zeitpunkt natürlich noch reine Spekulation ist.«
    Â»Vielen Dank, Herr Kollege«, sagte Volante. »Wir belassen es selbstverständlich nicht bei linguistischen Untersuchungen. Was die kryptografische Seite angeht, so kann Ihnen die Kollegin Kennealy Näheres erläutern.«
    Die Frau erhob sich und strich sich das Haar aus der Stirn. Winter fand sie nicht unattraktiv, wären da nicht diese Augen gewesen. Sie waren ohne Ausdruck wie bei einem Reptil, das auf den richtigen Augenblick lauert, um anzugreifen. Auch ihre Stimme war etwas zu schneidend für seinen Geschmack.
    Â»Wir haben den gestrigen Tag damit verschwendet, eine Datenleitung zu unseren Hochleistungsrechnern herzustellen«, begann sie. »Leider sind die technologischen Voraussetzungen hier nicht so optimal wie bei uns.«
    Â»Da hören Sie es«, unterbrach sie de Moulinsart. »Das predige ich bereits seit zwei Tagen, Winter! Sie sollten Ihren profilierungssüchtigen Präsidenten endlich davon überzeugen, die Sache in professionelle Hände zu legen.«
    Winter antwortete nicht. Nach einer kurzen Pause fuhr Kennealy fort: »Wir werden den Text zunächst einmal einfachen Häufigkeitsanalysen unterziehen. Wie Sie sicher wissen, kommen die Buchstaben unserer Sprache in einem Text in unterschiedlichen Häufigkeiten vor, die bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Das gilt für jede bekannte Sprache. Buchstaben wie das X oder Q gibt es in vielen Sprachen nur äußerst selten, Buchstaben wie das E ausgesprochen oft. Wenn der vorliegende Text tatsächlich einer existierenden Sprache entstammt und nicht verschlüsselt ist, dann müsste sich für ihn ebenfalls eine Häufigkeitsverteilung ermitteln lassen, die uns erste Hinweise gibt.«
    Â»Auch das klingt einfacher, als es ist«, meldete sich Volante zu Wort. »Zunächst einmal ist die Botschaft nicht länger als eine Seite. Außerdem wird unsere Sprache in lateinischen Buchstaben geschrieben, besteht also aus klar abgegrenzten Einheiten. Wenn Sie auf den Zettel vor sich sehen, dann werden Sie erkennen, dass diese Schrift solche diskreten Einheiten unter Umständen gar nicht kennt. Gehört der Halbkreis über dem vorletzten Wort – sofern es denn ein Wort ist – fest zu dem Gebilde darunter oder stellt er ein eigenständiges Zeichen dar? Wir müssen also den Text in unterschiedliche Einzelelemente zerlegen, für die wir dann die Häufigkeitsberechnungen durchführen. Bis wir die richtigen Elemente ermittelt haben, kann es durchaus etwas dauern – und erst dann können wir mit der Entschlüsselung der Botschaft beginnen.«
    Â»Sofern es sich nicht um einen neuen Voynich handelt«, murmelte Wakken.
    Â»Wie bitte?«, fragte Fitzsimmons mit vollem Mund.
    Â»Der Kollege bezieht sich auf das sogenannte Voynich-Manuskript, das 1912 von Wilfrid Voynich in Italien erworben wurde und nach ihm benannt ist«, erläuterte Volante. »Eine Papieranalyse hat ergeben, dass es vermutlich Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts entstanden ist. Es ist in einer Sprache und Schrift verfasst, die bis heute niemand entschlüsseln konnte. Deshalb wird vermutet, dass es sich dabei um eine reine Erfindung handelt.«
    Â»Wobei selbst erfundene Sprachen unweigerlich einer gewissen Systematik folgen«, ergänzte Wakken. »Aber selbst die fehlt beim Voynich-Manuskript – oder man hat sie noch nicht entdeckt. Wenn es also eine Erfindung ist, dann war dies eine grandiose Leistung.«
    Fitzsimmons, der hinter vorgehaltener Hand seine Zahnzwischenräume mit einem Zahnstocher bearbeitete, ließ die Hände sinken. »Sie wollen damit sagen, dass auch dieses Dokument nichts anderes sein könnte als ein gewaltiger Scherz?«
    Â»Ausschließen lässt sich das beim jetzigen Erkenntnisstand nicht«, erwiderte Wakken..
    Winter strich sich erschöpft durch die Haare. Seit Beginn dieser Raumkapselgeschichte hatte er keine Nacht mehr als fünf Stunden geschlafen, und die Folgen begannen sich langsam zu zeigen. Er musste aufpassen, dass er aus Übermüdung keinen Fehler beging.
    Â»Angenommen, die Botschaft ist doch entschlüsselbar. Wie lange kann es Ihrer Meinung nach dauern, bis sie übersetzt ist?«, fragte er die Kryptografin.
    Â»Unter den gegebenen Verhältnissen möchte ich mich ungern auf eine

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