Das Wörterbuch des Viktor Vau
welchem Geld Banda seine Geheimkonten füllt? Jeder Cent, den er hier investiert, fehlt ihm doch hinterher am Gewinn. Und Menschen waren in Afrika schon immer entbehrlich.«
Sie folgten dem Menschenstrom, der sich vom Ortszentrum weg bewegte.
Und dann standen sie vor dem Arizona Market.
Viktor hatte sich aufgrund der Erzählungen seiner Begleiterin ein Bild gemacht, was ihn hier erwartete, aber die Realität war weitaus groÃartiger, grotesker und bedrohlicher, als er sich es hätte vorstellen können.
Tausende von zusammengehauenen Hütten und Verkaufsständen zogen sich Kilometer um Kilometer hin, bis weit über die nigrische Grenze. Hütten aus Stein und Hütten aus Pappe; Hütten aus Blech und Hütten aus Holz; Hütten aus Metall und Plastik, aus verrottenden Reifen und Glas, aus Stoffplanen und Papier.
»Bleiben Sie dicht hinter mir«, sagte Leslie. »Und vor allen Dingen, sprechen Sie mit niemandem. Wer sich hier in eine Diskussion einlässt, der endet nicht selten unter einer grauen Plastikplane.«
Viktor presste seine Arme an den Körper und fixierte eine kleine Stelle auf Leslies Rücken. Sie waren nicht die einzigen WeiÃen, und niemand starrte sie an, so wie Viktor noch am Morgen in Agua Caliente angestarrt worden war. Der Arizona Market war eine multikulturelle Gesellschaft. Die einzige Farbe, die hier zählte, war die des Geldes.
Seine Begleiterin steuerte zielstrebig auf einen der überfüllten Wege zu, die in das Gewirr der Hütten und Stände hineinführten. Bereits nach wenigen Minuten hatte Viktor die Orientierung verloren. Die Gassen zwischen den behelfsmäÃig errichteten Gebäuden erstreckten sich endlos in alle Richtungen und waren mit den immer gleichen Verkaufsständen, Waren und Menschen gefüllt. Wie sollte man sich hier zurechtfinden?
Aber Leslie schien zu wissen, was sie tat. Sie kamen vorbei an Garküchen, an denen über offenen Feuern Fleisch und Bananen gegrillt wurden. Es gab Stände mit Computern, Fernsehern, Fahrrädern, Mopeds, Kleidung, Brillen, CD s und DVD s, Kameras, Handfeuerwaffen, Taschen, Stoffen, Werkzeugen, elektrischen Maschinen, Töpfen, Pfannen und Haushaltswaren aller Art. Viele davon waren besser bestückt als manches Geschäft, das Viktor aus seiner Heimatstadt kannte.
SchlieÃlich erreichten sie einen etwas breiteren Gang. Sie hielten vor einer Hütte an, die so windschief aussah wie viele andere, vor der aber keinerlei Waren feilgeboten wurden. Lediglich die stabile Holztür verriet, dass es sich hier nicht um einen einfachen Lagerschuppen handelte. Leslie klopfte zwei Mal laut dagegen und schob die Tür dann langsam auf. Sie winkte Viktor, ihr zu folgen.
Das Innere der Hütte bestand aus einem einzigen groÃen Raum. An zwei Wänden standen mehrere mit Maschinenpistolen bewaffnete Hünen in militärischer Tarnkleidung. Von der Decke des unverputzten Raums baumelte eine Kette mit Glühbirnen, die ihren Strom aus einem Generator bezogen, der in einer Ecke vor sich hin knatterte. Es roch nach Schweià und Dieselöl.
In der Mitte des Raums stand ein schwarzer Schreibtisch mit einer geschwungenen, mit Blattgold beschichteten Platte. Dahinter saà in einem riesigen ledernen Bürostuhl ein winziges Männchen in einem knallbunt bedruckten Hemd. Oder vielleicht kam er Viktor nur so winzig vor, weil der Stuhl und der Schreibtisch so groà waren.
Irgendwie hatte er sich Jonathan etwas anders vorgestellt. Auf jeden Fall hatte er nicht damit gerechnet, einer Witzfigur mit Dreadlocks, einer dicken Zigarre im Mund und einem speckigen kleinen Lederhut auf dem Kopf zu begegnen.
Der Mann sprang auf, als er Leslie erblickte. Er warf die Zigarre nachlässig in einen gewaltigen Aschenbecher, dem einzigen Gegenstand auf der Schreibtischplatte, und kam um den Tisch herum auf sie zugehumpelt. Mit einem breiten Grinsen umarmte er sie.
»Meine Freundin!«, rief er. »Gepriesen sei Jah, dass ich dich noch einmal sehen darf!« Er wandte sich zu seinen Leibwächtern. »Seht her, das ist Leslie Tanner, eine der beeindruckendsten Frauen, die ich jemals getroffen habe! Ich will, dass ihr ihr den gleichen Respekt erweist wie mir. Und sagt es allen, die ihr trefft!«
SchlieÃlich streckte er Viktor seine Hand entgegen. »Sei mir gegrüÃt, Fremder. Ich bin Sir Jonathan. Wenn du mit meiner Freundin kommst, bist du auch mein Freund.«
»Viktor
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