Das Wörterbuch des Viktor Vau
nicht unbedingt mein Fachgebiet, aber ich habe zum Glück einige Verbindungen, die Ihnen weiterhelfen können. Dazu müssen Sie allerdings so schnell wie möglich nach Tambo weiter.«
»Wie ich vermutet habe«, meldete sich Leslie zu Wort. »Der Arizona Market.«
Malango nickte. »Der Vetter meines Schwagers unterhält dort ein kleines Geschäft. Er nennt sich Sir Jonathan und wird Sie sicher über die Grenze bringen.«
»Jonathan?«, rief Leslie. »Der alte Gauner lebt noch?«
»Sie kennen ihn?«, fragte Malango erstaunt.
»Und ob ich ihn kenne. Er schuldet mir noch eine Wagenladung Handgranaten. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob ich die jetzt noch von ihm bekommen werde.«
»Nun, das erleichtert die Sache sicherlich.« Malango blickte sich nervös um. Dann zog er einen Briefumschlag hervor und reichte ihn Viktor. »Geben Sie ihm dieses Schreiben, dann weià er, dass Sie derjenige sind, den ich ihm angekündigt habe.« Er warf einen vielsagenden Blick auf Viktors Begleiterin. »Er ist allerdings nur auf einen Passagier vorbereitet. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass er Sie beide mitnehmen wird.«
»Keine Sorge«, lachte Leslie. »Mit Jonathan komme ich schon zurecht.«
Malango sah sie skeptisch an. »Also dann«, verabschiedete er sich. »Ich wünschte mir, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt, Professor Vau.«
»Vielen Dank für Ihre Mühe«, bedankte sich Viktor. »Und grüÃen Sie Flavio von mir. Richten Sie ihm aus, es gehe mir gut.«
»Das werde ich.« Er erlaubte sich ein kurzes Lächeln. »Obwohl es sich wie eine Lüge anhört, wenn ich Sie so ansehe.«
Viktor blickte an sich herab. Er sah wirklich nicht besonders präsentabel aus. Seine Hose und sein Hemd waren zerknittert und mit dunklen Flecken beschmutzt, die wahrscheinlich von dem Blut des Mannes im Zug stammten. Die Jacke, die er über dem Arm trug, machte auch keinen besseren Eindruck. Und wie sein Gesicht aussah, wollte er sich nicht vorstellen. Unter normalen Umständen wäre es undenkbar für ihn gewesen, so auf die StraÃe zu treten. Aber dies waren alles andere als normale Umstände.
Malango nickte Viktors Begleiterin zu und verschwand zwischen den Autobussen.
»Wir sollten auch weg hier.« Leslie nahm Viktor beim Arm. »Je eher wir in Tambo sind, desto besser.«
Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis sie in einem der Busse einen Platz auf der Rückbank gefunden hatten. Daran hatten die Bündel von Geldscheinen, die Leslie geschwenkt hatte, einen wesentlichen Anteil. Der Fahrer und einige seiner Passagiere waren jetzt um ein Monatsgehalt reicher.
Sie mussten noch eine quälende halbe Stunde auf dem Bahnhofsvorplatz warten, bevor der Bus sich stotternd in Bewegung setzte. Die Fenster zu beiden Seiten der letzten Reihen waren herausgebrochen, und warme, feuchte Luft strich über ihre Gesichter, vermittelte dabei aber nicht einmal die Illusion einer Kühlung.
»Wer ist dieser Jonathan?«, fragte Viktor, während er mit dem Fuà eine Ziege verscheuchte, die den Mittelgang entlanglief.
»Ein Dealer und Wheeler«, erwiderte Leslie. »Er macht mit allen Seiten Geschäfte und hat sich im Laufe der Jahre ein richtiges kleines Imperium aufgebaut.«
»Auf dem Arizona Market«, konstatierte Viktor.
»Nicht nur dort. Der Markt ist eine relativ junge Erfindung Bandas. Jahrelang hat es in der Region von Tambo Kämpfe zwischen Rebellen, die vom Niger unterstützt wurden, und den Regierungstruppen gegeben. Dann kamen wir. Nachdem wir die Rebellen zurückgedrängt hatten, stellte sich die Frage, wie wir das Gebiet langfristig schützen konnten. Es war Bandas Idee, mit dem Arizona Market eine Art Freistaat entstehen zu lassen, der den Rebellen eine lukrative Einnahmequelle bietet und sie somit vom Kämpfen abhält.«
Viktor zog die Augenbrauen hoch. »Und das funktioniert?«
Sie lachte freudlos. »Sie werden heute noch das Vergnügen haben, einen der letzten rechtsfreien Räume auf dieser Welt zu betreten. Der Arizona Market ist inzwischen in ganz Afrika eine Legende. Ãber der Erde wird alles gehandelt, was sich handeln lässt. Darunter liegen die nur flüchtig verscharrten Gebeine der Bürgerkriegstoten, die ans Tageslicht kommen, wenn einer der Hüttenbauer ein wenig zu tief gräbt. Manche Marktverkäufer, so
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