Das Wörterbuch des Viktor Vau
Gesetz?«
Das Taxi setzte sie einen Block von Thuras Buchladen entfernt ab. Während der Fahrt sprachen sie auf Enriques Vorschlag kein Wort miteinander. Er wollte verhindern, dass der Taxifahrer etwas aufschnappte, was vielleicht auf Viktors Spur führen könnte. Das war auch der Grund, warum er ihn nicht direkt bis vor die Tür fahren lieÃ.
In der kleinen Buchhandlung erwartete sie Marek anstatt der alten Anarchistin. Er hockte an dem winzigen Schreibtisch, die Beine auf der Tischkante, und studierte ein Buch mit dem Titel Kleinkriegsanleitung für jedermann .
»Wo ist Thura?«, fragte Astarte.
»Sie ist hinten.« Marek machte eine Geste mit dem Daumen über seine Schulter.
»Sag ihr bitte Bescheid, dass wir hier sind.«
»Kein Problem.« Er legte das Buch auf den Schreibtisch und verschwand durch die Tür.
»Wo um Himmels willen sind wir hier?« Viktor stellte seine Tasche auf den frei gewordenen Stuhl, lieà den Blick über die Zeitschriften und Pamphlete gleiten und nahm das Buch auf, das Marek gerade gelesen hatte. »Interessante Freunde haben Sie, Astarte.«
Zwei rote Flecken bildeten sich auf Astartes Wangen. »Ich habe hier meinen Sprachkurs gemacht, als ich neu in die Stadt gekommen bin«, erklärte sie. »Damals hatte ich nur wenig Geld, und Thura war die Einzige, die kostenlosen Unterricht anbot.«
»Zweifelsohne nicht ohne Hintergedanken«, sagte Viktor. Er legte das Buch wieder zurück und nahm ein Flugblatt von einem Stapel. »Nieder mit der Weltausstellung«, las er vor. »Mir scheint, ich bin vom Regen in die Traufe geraten. Sind Sie wirklich sicher, dass dies der beste Weg ist, mich vorerst aus dem Verkehr zu ziehen?«
»Anarchisten hassen den Staat. Und Sie werden vom Staat verfolgt. Also sind Sie und die Anarchisten sozusagen natürliche Verbündete.«
»Ich bin mir da nicht so sicher.« Viktor legte das Flugblatt zurück. »Es könnte auch sein, dass diese politische Assoziation meinen Status verschlechtert. Bislang will man meiner nur habhaft werden, weil ich etwas besitze, das die Geheimdienste gerne hätten. Wenn man mich bei den Anarchisten findet, könnte man das in einem völlig anderen Licht sehen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Astarte. »Es wird Sie niemand â¦Â«
Sie wurden durch die Ankunft Thuras unterbrochen. Sie trug heute ein knöchellanges dunkles Kleid und darüber einen offenbar selbst gestrickten Pullover in einem violetten Farbton, von dem sogar Viktor wusste, dass er bereits seit vielen Jahren passé war.
Die Frau umarmte Astarte. »Erst sieht man dich viele Monate nicht, und dann verschaffst du mir im Wochenrhythmus neue Gäste.«
»Thura, ich möchte dir Professor Viktor Vau vorstellen. Professor Vau, das ist Thura. Wenn Ihnen jemand helfen kann, dann sie.«
Viktor verneigte sich leicht und schüttelte unsicher Thuras Hand.
»Ich weià nicht, was dies hier für ein Ort ist. Aber ich möchte Ihnen keine Ungelegenheiten bereiten«, sagte er.
»Professor Vau wird von den Sicherheitsdiensten gesucht«, erklärte Astarte.
Thura musterte Viktor. »Sie sehen eigentlich nicht wie ein Staatsfeind aus«, sagte sie. »Aber ich lerne gerne dazu.«
Sie geleitete die kleine Gruppe durch den Gang hinter ihrem Büro zu einem Besprechungsraum. Nachdem sie alle Platz genommen hatten und Thura noch ein paar belegte Brote und Getränke organisiert hatte, sah sie ihre Besucher erwartungsvoll an.
»So, dann erzählt mir mal, worum es hier geht.«
3.
Viktor berichtete, was ihm seit seiner Abreise widerfahren war. Als er von der ersten Botschaft berichtete, unterbrach ihn Enrique.
»Die Nachricht war in Ihrer Sprache verfasst?«
Viktor nickte. »Ich kann mir das nicht erklären. Meine Sprache ist ein rein theoretisches Konstrukt. Es gibt niemanden, der sie verwendet.«
»Abgesehen von Ihren Patienten«, widersprach Astarte.
»In der Tat. Aber ich glaube kaum, dass sie über genügend Einfluss verfügen, um daraus die Sprache einer zukünftigen Generation zu entwickeln.«
»Sie sind also überzeugt, dass die Kapsel aus der Zukunft kommt?«, mischte sich Thura ein.
»Alles deutet darauf hin. Die Techniker haben festgestellt, dass die Kapsel nie abgefeuert worden ist. Sie ist scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht. Und die Sprache der Botschaft kann nur aus der Zukunft
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