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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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»Es war angenehm, Sie kennengelernt zu haben, Professor Vau. Vielleicht sieht man sich ja einmal wieder.«
    Viktor gefiel das Blitzen in Jonathans Augen nicht, aber Leslie schob ihn bereits in Richtung des Fahrzeugs. Einer der Bewaffneten half ihm hinauf. Seine Begleiterin kletterte ohne sichtbare Anstrengung auf die Ladefläche.
    Der Laster schaukelte durch die schmalen Gassen des Marktes. Immer wieder betätigte der Fahrer die Hupe, und die Menschen vor ihnen sprangen beiseite, um Platz zu machen. Trotzdem dauerte es gewiss eine Viertelstunde, bis sie das Ende des Marktes erreicht hatten.
    Der Wagen folgte einer unbefestigten Trasse durch ein Dorf und erreichte schließlich eine geteerte Straße, deren Asphalt an vielen Stellen aufgesprungen war. Sie warteten, um einen Tieflader auf dem Weg zu den Pinidium-Minen vorbeizulassen, und überquerten dann die Fahrbahn. Auf der anderen Seite führte die Trasse in den Dschungel hinein.
    Â»Das ist nicht die Straße zur Grenze«, sagte Leslie zu dem Bewaffneten neben sich.
    Der grinste nur. »Wir fahren auch nicht zur Grenze.«
    Â»Aber Jonathan …«
    Der Mann stieß ihr seinen Gewehrkolben in die Seite. Viktors Begleiterin krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen. Er wollte aufspringen, um ihr zu helfen, wurde von seinem Nebenmann aber unsanft zurückgezogen.
    Â»Es heißt Sir Jonathan«, ermahnte sie der Mann neben ihr. »Und Sir Jonathan hat angeordnet, den Professor in sein Haus zu bringen.«
    Â»Das ist gegen die Abmachung«, stellte Viktor fest.
    Der Mann zuckte mit den Schultern. »Was interessieren mich Ihre Abmachungen? Ich habe einen Auftrag bekommen, und den werde ich ausführen.«
    Â»Keine Sorge, Professor«, keuchte Leslie. »Ihnen wird nichts passieren. Sir Jonathan spekuliert wahrscheinlich auf ein Lösegeld.«
    Â»Mund halten!«, kommandierte ihr Nebenmann.
    Viktor schloss die Augen. Die Strapazen der vergangenen vierundzwanzig Stunden waren umsonst gewesen! Statt in Sicherheit befand er sich in der Gewalt eines gewissenlosen Verbrechers, tief im afrikanischen Niemandsland. Leslies Worte beruhigten ihn überhaupt nicht. Sir Jonathan war ein Psychopath, dessen Handlungen nicht vorhersehbar waren.
    Als er die Augen wieder aufschlug, hielt Leslie ihre Pistole in der Hand.
    Der Mann, der sie geschlagen hatte, fiel mit einem Loch in der Stirn vornüber. Bevor seine Kameraden reagieren konnten, waren zwei weitere Männer tot. Leslie rollte sich von der Bank auf die Ladefläche, ohne das Feuern einzustellen. Alles war in wenigen Augenblicken vorbei. Die sechs Bewaffneten lagen auf der Ladefläche oder waren auf den Bänken zusammengesackt.
    Viktor verfolgte das Geschehen wie im Traum. Neben ihm fiel einer der Leichname auf die Straße, direkt darauf ein zweiter. Als er sich wieder aufrichtete, sah er, wie Leslie soeben den letzten Toten über die gegenüberliegende Seitenwand warf.
    Er wischte sich die schweißnasse Stirn am Ärmel seines Jacketts ab. Inzwischen war ihm sein Aussehen egal. Er wollte nur noch raus aus diesem grauenhaften, chaotischen Land.
    Der Lastwagen bremste scharf. Viktor wurde gegen das Führerhaus geworfen. Leslie, die sich an der Seitenplanke festgehalten hatte, sprang von der Ladefläche, lief nach vorne und drückte dem Fahrer durch das geöffnete Seitenfenster ihre Pistole gegen die Schläfe.
    Â»Du wirst uns jetzt nach Sokodé bringen.«
    Der völlig überraschte Mann nickte. Aus seinen weit aufgerissenen Augen sprach die nackte Todesangst.
    Â»Kommen Sie, Professor!«, rief Leslie. Viktor kletterte benommen von der Ladefläche und stieg gemeinsam mit ihr ins Führerhaus.
    Der Fahrer wendete den Laster, und sie setzten die Fahrt fort. Fünf Stunden später erreichten sie Sokodé im Norden Togos. Inzwischen war es Nacht geworden.
    Â»Der Plan war, dass ich Sie bis nach Lomé begleite«, sagte Leslie, als sie vor einem baufälligen Hotel in der Nähe des kleinen Flughafens standen. »Doch die Voraussetzungen haben sich geändert. Das ist jetzt etwas Persönliches zwischen Jonathan und mir. Von hier aus dürften Sie ohne Probleme einen Flug nach Lomé bekommen und von dort in Ihre Heimatstadt.«
    Â»Und Sie wollen wirklich zu Jonathan zurückkehren?«
    Sie nickte. »Er wird sich wünschen, mir nie begegnet zu sein, wenn ich mit ihm fertig bin.«
    Â»Dann kann ich Ihnen

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