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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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das Haar und die milchbleiche Haut.
    » Niccolo … «
    In ihrer Seite klaffte eine Wunde und färbte die Seide dunke l rot. Niemand musste Niccolo erklären, was für eine Verletzung das war. Sie hatte sich Silberdorn in den Leib gestoßen, seine eigene Klinge, vor seinen Augen, und das Götterschwert hatte vollbracht, wozu es geschmiedet worden war: Es hatte einer angehenden Xian eine tödliche, unheilbare Wunde beigebracht.
    Er hatte sich getäuscht, als er im ersten Moment angenommen hatte, Guo Lao hätte Mondkind so zugerichtet . Der Unsterbliche hatte sie besiegt und hier unten in Ket ten gelegt. Aber diese Verletzung war ihr eigenes Tun und ihre Niederlage womöglich nichts anderes als ein verzweifelter Plan, ein letztes Aufbege h ren gegen die Allmacht des Aethers.
    » Ich bin jetzt bei di r «, flüsterte er hilflos.
    Ihr Kopf blieb auf der Seite liegen. Aber in ihren Augen war noch immer Leben, als sie zu ihm aufblickten. Ihr Atem rasselte, und er spürte, wie Zuckungen durch ihren Körper liefen, die sie nicht mehr kontrollieren konnte.
    » Ich hole dich hier rau s «, flüsterte er unter Tränen, als sie ihre Hand in seine schob. Ihre Finger fühlten sich kalt an, und sie waren nass vom Blut aus ihrer Wunde.
    Noch einmal schien sie seinen Namen auszusprechen, er konnte nicht sicher sein, und vielleicht war es auch nur Wunschdenken.
    » Du wirst nicht sterben. « Er legte alle Entschlossenheit in seine Stimme, die er aufbringen konnte. Viel war es nicht.
    Hinter ihm erklangen die Schritte des Xian. » Frag sie nach Li. «
    Niccolo blickte nicht auf und verriet durch keine Regung, dass er Guo Lao gehört hatte. Was interessierte ihn in diesem Augenblick das Schicksal der Xian. Oder das Schicksal der Welt.
    Guo Lao war noch immer ein halbes Dutzend Schritte entfernt, irgendwo zwischen ihnen und dem Feuer. Er war stehen geblieben, obwohl Niccolo bezweifelte, dass das mit Respekt oder gar Mitgefühl zu tun hatte.
    » Jung e «, sagte der Xian, » f rag sie nach meinem Bruder Li! «
    » Sie … sie kann nicht sprechen. « Seine Unterlippe zuckte. Er wandte den Blick nicht von ihren Augen ab. Es war grausam und paradox: Ihr Schweigen schützte sie vor der Rache des Unsterblichen. Solange Guo Lao annahm, sie wüsste mehr über Lis Schicksal, würde er sie nicht töten.
    Hinter ihm erklang ein Flüstern, das wie eine Beschwörung klang, und dann rauschte eine Woge aus Wärme über ihn hinweg, durch ihn hindurch, und erreichte auch Mondkind. Einen Moment lang wölbte sich ihre eingesunkene Seite wieder nach außen, ihr Atem ging ruhiger und regelmäßiger, und ihre Finger spannten sich.
    Niccolos Kopf ruckte herum. Der Xian ließ beide Arme sinken und öffnete die Augen. » Du kannst sie heilen! «, entfuhr es Niccolo fassungslos. » Du kannst sie wieder gesund machen, und du tust es nicht! «
    Guo Lao schüttelte den Kopf und kam noch zwei Schritte näher. » Nein, das vermag ich nicht. Aber ich kann ihr einen kurzen Augenblick der Kraft schenken, wie ein tiefes Durcha t men. Das muss reichen, damit sie dir die Wahrheit sagen kann. « Er deutete mit einem Nicken auf das sterbende Mä d chen. » Frag sie! Jetzt! «
    Niccolo wischte sich mit der flachen Hand Tränen aus den Augen, nicht weil er sich ihrer schämte, sondern weil er das Gesicht des Xian sehen wollte, jede Einzelheit seiner M i mik. » Du lügst! Du hast die Macht, sie zu retten! «
    » Nein. « Einen Moment lang klang der Xian müde, so als wäre er nicht nur Niccolos Widerworte leid, sondern dies alles hier. Er liebt die Welt nicht, dachte Niccolo. Un d e r liebt die Me n schen nicht. Im Grunde ist ihm gleichgültig, was aus all dem wird.
    Und du selbst?, raunte es in ihm. Kümmert es dich denn? Oder ist sie das Einzige, das für dich zählt?
    Er blickte wieder auf Mondkind hinab, streichelte sanft ihre Wange. » Sie muss hinaus ins Mondlicht. Das würde ihr neue Kraft geben. «
    Guo Lao war mit einem Mal direkt hinter ihm. Kein Schritt war zu hören gewesen. Vielleicht hatte er die letzten Meter im Federflug zurückgelegt. Seine Pranke krallte sich schmerzhaft in Niccolos Haar und riss brutal seinen Kopf zurück.
    » Stell die Frage! «, fauchte er ihn an.
    » Versprich mir, dass du sie ins Mondlicht brings t «, presste Niccolo unter Schmerzen hervor. Aber er setzte sich nicht zur Wehr. Eine leise Hoffnung flackerte in ihm, und er brauchte Guo Lao, damit sie sich erfüllte. » Dorthin, wo du mich gefunden hast. Vielleicht ist das Licht noch da. Wir

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