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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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töte n «, knurrte Guo Lao, und es war, als wehte mit seiner Stimme ein Eishauch durch den Korridor. » Du weißt, was mein Tod für die Welt bedeutet, nicht wahr? Ich kann Li und Tieguai an dir spüren, Junge, und sie haben dir vermutlich einiges erzählt über die Bedeutung der Xian. Ich bin das letzte Bindeglied zwischen dem Himmel der Götter und dieser Welt. Und solange das so ist, bin ich die Welt! «
    Niccolo blickte auf, und nun sah er in der Miene des Xian noch etwas anderes, hundertmal Gefährlicheres als di e A ussicht auf Gewalt und Schmerz. Er entdeckte einen Wahn, der erschr e ckender war als die abstrakte Bedrohung durch den Aether. Guo Laos Irrsinn war greifbar wie eine Schwertklinge.
    Dieser Mann hätte gut sein müssen. Weise und wohlwollend wie Tieguai, entschlossen und großherzig wie Li . Er war von den Göttern berührt und zu einem ihrer Statthalter auf Erden ernannt worden. Doch statt einer Lichtgestalt erkannte Niccolo vor sich nun ein Wesen, das nur einem einzigen Herrn zu Diensten war – sich selbst.
    Die Götter mussten sich in der Tat weit von den Menschen zurückgezogen haben, um solch eine Wandlung zu dulden. Zum ersten Mal fragte sich Niccolo, welcher Art die Verbindung zwischen Erde und Himmel wohl war, für die eine Kreatur wie Guo Lao einstand. Und was wirklich geschehen würde, wenn sie zerriss.
    Er schluckte, bevor er langsam und bedächtig zum dritten Mal dieselben Worte aussprach: » Was hast du ihr angetan? «
    » Ich hätte sie längst getötet, wenn ich wüsste, was aus Li geworden ist. Solange sie mir darauf keine Antwort gibt, bleibt sie am Leben. Und du, mein Junge, wirst sie zum Reden bringen. «
    » Ich würde ihr niemals schaden! Niemals! «
    Guo Lao lachte leise. » Ich bezweifle, dass du ihr noch größ e ren Schaden zufügen könntest. Sie ruft nach dir, verstehst du? Jetzt, in diesem Moment, weint sie Tränen um dich, weil du nicht bei ihr bist. Sie wird dir keinen Wunsch ausschlagen. Auch nicht den, die Wahrheit zu sagen. «
    Niccolos Beherrschung bekam weitere Risse. Ehe er irgende t was ungeheuer Dummes tun konnte, drängte er sich an dem Xian vorbei und lief weiter den Gang hinunter. » Bring mich zu ihr. «
    Der Unsterbliche lachte noch immer. Bald übernahm er wieder die Führung, bog in einen breiten, gehauenen Korridor und ging schließlich einen abwärtsführenden Tunnel hinunter. Sie bewegten sich jetzt tiefer ins Innere der Felsformationen, in deren Herzen die Karawanserei auf den Überresten einer viel älteren Siedlung errichtet worden war. Diese Tunnel hatten keine Händler und Nomaden in das Gestein getrieben; für deren Zwecke waren Häuser und Zelte vollkommen ausreichend. Dies hier waren Spuren aus einer Zeit, als selbst die Xian noch jung gewesen waren.
    Zuletzt kamen sie in eine höhlenartige Kammer. Der Boden war mit Sand bedeckt, was bedeuten mochte, dass es Öffnungen zur Wüste gab, künstlich angelegte Luftschächte oder natürliche Risse im Gestein; auch der Rauch des Feuers, das in der Höhlenmitte brannte, musste auf irgendeinem Weg ins Freie abziehen. Im Flammenschein sah Niccolo die Schwaden diffus nach oben steigen, aber das Licht reichte nicht weit genug, um die Decke der Höhle zu erhellen. Sie mochte zwanzig oder auch hundert Meter über ihnen liegen.
    Rundum an den Wänden waren Ketten befestigt, so alt, dass sie sogar im trockenen Wüstenklima verrostet waren. Sie stammten wahrscheinlich noch aus den Zeiten, als es hier geregnet hatte und Wasser durch die Rinne n a uf den Felskuppen geflossen war. Schon damals war dies hier ein Verlies gewesen.
    Ein leises Wimmern ertönte. Niccolo schenkte Guo Lao einen entsetzten Blick, aber der Xian verzog keine Miene, blieb neben dem Eingang stehen und wies stumm zum anderen Ende der Höhle. Niccolo lief los und umrundete das Feuer.
    Jenseits der Flammen, zwanzig Schritt tiefer im Halbdunkel der Grotte, fand er sie.
     

  IN KETTEN
     
    M ondkind lag auf der Seite, mit Ketten an Armen und Beinen. Sie weinte leise, und die Tränen vermischten sich mit Blut, das aus ihrem Mundwinkel in den Sand tropfte. Sie versuchte, den Kopf zu heben. Ihre dunklen Augen spiegelten das Feuer – und Niccolos schwarze Silhouette vor den Flammen.
    Durch Tränenschleier blickte er auf sie herab. Er konnte die pulsierende Ader an ihrem Hals nicht mehr sehen, so als hätte ihr Herz bereits aufgehört zu schlagen. Wortlos fiel er vor ihr auf die Knie, hinab in den blutgetränkten Sand, und strich ihr sanft über

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