Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
am Licht war, sodass das Wesen tatsächlich ihre Gedanken lesen konnte.
    » Wenn ich zu dir komme … ins Licht, meine ich … werde ich dann auch wissen, was du denkst? «
    » Würdest du das gern? «
    » Ich muss wissen, warum du stirbst. Hast du die Wolkeninsel zum Absturz gebracht? «
    » Nein. «
    » Aber der Aether fließt nicht mehr. Deshalb sind wir aus den Hohen Lüften gesunken. Und wenn du der Aether bist … «
    » Ein Teil davo n « , wiederholte die Stimme monoton.
    » Wenn du ein Teil des Aethers bist, dann musst du Be scheid wissen über das, was vorgefallen ist. Was das alles hier veru r sacht hat. «
    » Komm ins Licht. «
    » Und dann werde ich alles erfahren? «
    » Komm. «
    Alessia ballte die Hände zu Fäusten. Sie schloss die Augen, dann trat sie entschlossen nach vorn.
    * * *
    Im ersten Moment änderte sich nichts. Um sie herum wurde es noch heller, aber sie spürte keine fremden Gedanken in ihren eigenen, auch niemanden, der sie berührte.
    » Was ist das für ein Licht? «, fragte sie. » Bist du das? «
    » Reiner Aether. «
    » Dann gibt es also doch noch Aether auf der Insel! « Ihre G e danken überschlugen sich einen Augenblick lang.
    » Alessi a « , sagte die Stimme gedehnt, als wollte sie wissen, wie es sich anfühlte, ihren Namen auszusprechen . Dabei hatte sie ihren Namen noch gar nicht genannt. Also hatte es bereits begonnen. Das Wesen stöberte in ihren Gedanken, erforschte sie, las darin wie in einem der verbotenen Bücher. Das machte ihr Angst, aber sie ging trotzdem weiter. Ihre Neugier war stärker als ihre Furcht.
    » Was willst du wissen? « , fragte die Stimme.
    Für einen Moment war sie zu perplex, um sofort zu antwo r ten. » War das schon alles? «, fragte sie.
    » Ich weiß nun all das über dich, was ich wissen muss. «
    » Das ging schnell. «
    » Ich bezweifle, dass du ermessen kannst, wie viel Zeit verga n gen ist … Stell jetzt deine Fragen. «
    » Was hast du gemeint, als du gesagt hast, dass du nur ein Teil des Aethers bist? «
    » Als dieser Ort erschaffen wurde, als die Pumpen ihre Arbeit aufnahmen und erstmals Aether aus den Schichten jenseits des Himmels herabgesaugt wurde, da gab es mich noch nicht. Nicht so wie jetzt. Ich war noch ohne Sprache. Ohne Gedanken. «
    Sie verstand nicht, ließ ihn aber weiterreden.
    » Das, was ihr Menschen Aether nennt, war immer weit weg von euch, hoch über allem, sogar über dem Himmel . Aber dann wurde der Aether von dort herabgeholt, hierher zu euch, in die Nähe eurer wilden Gedanken und Gefühle. Und ich … wir … der Aether lernte zu denken und zu fühlen. Ihr musstet nichts tun, ihr habt es nicht einmal bemerkt. Aber das, was vor mir war, hat euch erforscht, hat euch durchdrungen, hat vieles über euch in Erfahrung gebracht. So wurden meine ersten Gedanken geboren, meine ersten einfachen Gefühle. Und aus beidem gemeinsam bin ich entstanden. Der denkende Aether. Sein Verstand. Seine Intelligenz. Es hat den Aether schon immer gegeben, hoch oben und fern von allem anderen, aber nun lernte er … lernte ich … so zu sein wie ihr. «
    Alessia wurde bewusst, dass sie immer noch vorwärts ging. Ruckartig blieb sie stehen. Eine neue Furcht stieg in ihr auf: Was würde sie finden im Zentrum des Lichts? Wie sah das aus, wozu der Aether geronnen war? Oder war dieses Licht alles, was es zu entdecken gab?
    » Fürchte mich nicht. «
    » Ich kann nichts dagegen tun. «
    » Ich weiß. Ich habe gelernt zu fühlen. Zu begreifen. «
    Auch Alessia wünschte sich zu begreifen. Aber im Augenblick konnte sie nur zuhören, alles aufnehmen und hoffen, dass es irgendwann einen Sinn ergäbe.
    Der Aether hatte also, beeinflusst von der Nähe der Menschen, zu denken gelernt. Er hatte einen Verstand entwickelt. Eine Art Eigenleben.
    » Ist der ganze Aether ein einziges … Wesen? «, fragte sie . Das alles klang noch immer völlig verrückt. Der Aether war eine Substanz. Eine Art Nahrung für die Wolkeninsel. Wie die Luft, die sie atmete. Wie konnte so etwas lernen, eigenständig zu denken?
    » Mit dem Verstehen kamen neue Fragen, und mit den Fragen kamen die Zweife l « , fuhr die Stimme fort. » Und aus den Zweifeln wurden Pläne. «
    » Was für Pläne? «
    » Erst verstand ich nur, dass ich existierte. Dann erkannte ich allmählich, was ich bin. Ich erfasste meine Bedeutung im Gefüge des Universums. Meine Größe. Meine Macht. Als mein Verstand geboren wurde, da glaubte ich, ich wäre wie ihr. Klein und unwichtig. Aber das bin ich

Weitere Kostenlose Bücher