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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Boden der Wolkengrotte führten. Sie nahm sich vor, das letzte Stück zu schleichen, aber ihre Aufregung gewann die Oberhand und ließ sie losrennen. Mit klopfendem Herzen kam sie auf dem federnden Wolkenu n tergrund zum Stehen und schaute sich um, suchte hektisch die Quelle des goldenen Lichts.
    Es war überall, drang aus dem Boden, aus der Decke . Alessia konnte nirgends Wände erkennen, so ungeheuer groß war die Höhle. Im Wolkenberg wäre dafür nicht genug Platz gewesen; mit ziemlicher Sicherheit befand sie sich also bereits weiter unten.
    In einiger Entfernung sah sie noch mehr Rohre von oben herabstoßen; sie mussten zu den übrigen Pumpen oben auf dem Wolkengipfel gehören. Sie alle machten einen Knick und verliefen unter der Decke entlang in dieselbe Richtung, fast parallel zueinander, so als gäbe es irgendwo in der goldglühe n den Ferne eine Art Herz der Wolkeninsel, in dem sich alle Aetherleitungen vereinigten.
    Sie hatte diesen Gedanken kaum gefasst, da schien er ihr schon fast selbstverständlich. Irgendwohin mussten die Rohre ja laufen, irgendwo musste all der Aether hingeleitet werden. Sie hatte sich früher nie Gedanken darüber gemacht, war vielmehr davon ausgegangen, dass der Aether einfach in den Wolken versickerte wie Regen in der Erde.
    Aber so war es nicht. Etwas war dort hinten, weit entfernt. Und ihr war, als brannte das Licht dort mit besonderer Intensität.
    Ein Herz, hatte sie gerade eben gedacht. Was, wenn es das wirklich war? Ein goldglühender Knotenpunkt, ein gigantischer Lebensmuskel im Zentrum der Insel, in den der Aether floss wie Blut in das Herz eines Menschen.
    Ihre Augen gewöhnten sich an den Goldschein, aber noch immer sah sie kein Ende der Höhle, ganz gleich, in welche Richtung sie auch blickte. Nichts bewegte sich, nichts gab Geräusche von sich. Nur ihr Atem rasselte viel zu laut, ihr Herzschlag trommelte.
    Es gab keinen Grund, vor irgendetwas Angst zu haben . Das sagte sie sich wieder und wieder. Allerdings auch keinen Grund zur Hoffnung. Sie war jetzt ziemlich sicher, dass sie hier keinen Weg zur Außenwelt finden würde, nur weitere Treppen hinauf in verschlossene Pumpen. Und irgendeinen anderen Ausstieg? Unmöglich, dann wäre er längst von außen entdeckt worden.
    Zögernd entfernte sie sich von der Treppe und folgte dem Verlauf des Rohrs unter der Decke. Bis dort oben mochten es etwa zehn Meter sein, vielleicht auch ein wenig mehr. Soweit sie das erkennen konnte, verliefen Boden und Decke vollko m men eben. Irgendjemand hatte diesen Hohlraum künstlich geschaffen, wahrscheinlic h n och der Große Leonardo selbst, der Konstrukteur der Aetherpumpen und Schöpfer der Wolkeninsel.
    Solange sie unter dem Rohr entlangging, konnte sie sich nicht verlaufen. Das gab ihr ein schwaches Gefühl von Sicherheit, bis ihr klar wurde, dass sie sich etwas vormachte.
    Fünfzig Meter. Hundert. Und noch immer war kein Ende der Höhle in Sicht, nur der goldene Glanz, von dem sie jetzt sicher war, dass er im Zentrum des Hohlraums heller glühte als anderswo. Dort, wohin die Rohre führten . Selbst wenn sie gewollt hätte, sie konnte jetzt nicht mehr umkehren. Sie war dabei, das größte Geheimnis des Wolkenvolkes zu enthüllen. Ein Geheimnis, von dessen Existenz niemand etwas ahnte. Wahrscheinlich nicht einmal ihr Vater. Er hätte es ihr gesagt. Das hätte er doch, oder ? Plötzlich war sie nicht mehr sicher.
    Das Licht war jetzt so gleißend, dass sie die Augen ein wenig zusammenkniff. Es blieb gleichmäßig kühl im Inneren der Wolken und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie fror. Sie schlug die Arme vor dem Oberkörper zusammen und rieb sich die Schultern.
    Weit vor ihr verschwanden die Rohre im Licht. Erst hatte Alessia angenommen, dass das nur eine Täuschung war und dass sie sich wieder aus der Helligkeit schälen würden, je näher sie ihnen kam. Doch bald erkannte sie, dass der Schein dort vorn wie eine glühende Wand war, die alles andere verschluckte, die Aetherrohre ebenso wie die sanften Schattierungen der Decke und des Bodens.
    Bevor sie selbst in das Gleißen treten konnte, zögerte sie.
    Es war, als stünde sie unmittelbar vor der Sonne, als fehlten nur noch wenige Schritte, um sich mitten in eine verzehrende Glut zu stürzen.
    Noch immer keine Wärme.
    Sie streckte die Hand nach dem Licht aus und erwartete, dass sie bis zum Ellbogen darin verschwinden würde . Aber so scharf abgegrenzt war die Helligkeit nicht. Vielleicht war alles nur eine Täuschung. Etwas spielte

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