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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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belastbar. «
    » Erdkräfte? «
    » Das Chi der Erde «, sagte er mit einem Nicken. » Chi fließt nicht nur durch den menschlichen Körper, sondern auch entlang verborgener Adern durch das Innere der Erde. Unsere Schiffe können sich nicht beliebig übers Land bewegen, sondern müssen den Magnetkräften dieser Kraftadern folgen – du kannst sie dir wie unsichtbare Straßen vorstellen, von denen wir nicht abwe i chen dürfen. An manchen Orten treffen viele dieser Adern aufeinander und bündeln sich, so wie in diesem Tal, und das sind oft unsere Versammlungsorte, wo die Gildenschiffe einander begegnen, neues Wissen austauschen – und Waren, natürlich. «
    » Und wie spürt ihr diese Adern auf? «
    » Weißt du, was eine Wünschelrute ist? «
    » Sicher. «
    » Die Schiffe werden nach einem ähnlichen Prinzip gesteuert. Vorne auf der Brücke befinden sich unsere Spürer – menschl i che Wünschelruten, könnte man sagen. Sie besitzen die Macht, den Verlauf der Adern zu wittern und ihnen zu folgen. Die meisten Kraftadern sind mittlerweile kartografiert, aber ohne die Spürer würde trotzdem nichts von all dem existieren. Sie sind es, die die Gildenschiffe mit ihren Kräften in der Luft halten. «
    » Wozu dann all die Papierwaben? «
    Kangan lachte leise, so als hätte sie etwas sehr Naives gefragt. » Sie dienen zur Steuerung und gleichen die Kraft der Winde aus, damit sie uns nicht vom Kurs abbringen . Was diese Schiffe antreibt, ist einerseits die angeborene Macht der Spürer, and e rerseits die Kunstfertigkeit, mit der die Wabenstöcke konstruiert wurden. «
    Wisperwind musterte den Hauptmann von der Seite. » Hättet ihr tatsächlich vor, mich zu töten, würdest du mir das alles nicht erzählen. «
    Ein unangenehmes Lächeln spielte um Kangans Mundwinkel, und die riesigen Pupillen seiner Eulenaugen erschienen für einen Moment noch größer. » Vielleicht erzähle ich dir das alles, weil du sterben wirst. «
    Sie sah ihn einige Sekunden lang nachdenklich an, dann lachte sie plötzlich; aber sie stellte keine weiteren Fragen . Auch Kangan schwieg während des restlichen Weges.
    Am Ende einer weiteren Treppe wuchs eine Wand aus Holz empor. Eine Tür führte nach vorn in den bewohnten Teil des Gildenschiffes. Auf dem letzten Stück ihres Weges durchque r ten sie schmale Korridore, bis sie endlich die Brücke der Abendstern erreichten, den Fischkopf am Bug des Luftschiffes.
    Ein Blick in den Raum genügte, um den Spürer zu entdecken.
    Die Gestalt saß zusammengesackt auf einem thronartigen Hochstuhl, weit vorn in der Spitze des dreieckigen Raumes. Sie war klapperdürr, und es war unmöglich, mit Sicherheit festz u stellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Mumiengleich saß der Spürer da, Arme und Beine mit breiten Lederbändern festgezurrt, den Kopf vollständig von einem Gewebe aus goldenen Fäden umsponnen, die über dem Gesicht auseinanderfächerten und wie das Geäst eines Baumes aufwärt s führten und in der Decke verschwanden.
    Wisperwind blickte die Gestalt wortlos und mit starrer Miene an. Auch Feiqing hielt es für klüger zu schweigen.
    Eine Handvoll Männer war mit Hebeln und Schaltern beschä f tigt, deren Bewegungen lautstark über Zahnräder und Lederriemen in die Tiefen des Schiffes weitergeleitet wurden. Es gab kein Steuerrad wie auf einer gewöhnlichen Schiffsbr ü cke, wohl aber einen Kapitän, der jetzt auf sie zukam.
    » Der Gildenmeiste r «, raunte Kangan den beiden Gefangenen zu.
    Der Mann war schwarzhaarig und untersetzt. Er trug eine weite Pluderhose, ein Wams mit Weste und einen schmucklosen Umhang. Als er sprach, benutzte er akzentfreies Chinesisch. Schwarzgelbe Eulenaugen zuckten von Feiqing zu Wisperwind, dann wieder zurück zu Feiqing . Kangan trat vor und redete leise auf ihn ein, ehe der Mann kurz nickte und sich vor den beiden aufbaute, breitbeinig, die Hände hinterm Rücken verschränkt.
    » Warum bist du nicht tot, Feiqing? « Höflichkeit hielt er offe n bar für Zeitverschwendung.
    » Ich … weiß nicht einmal, was das alles sol l «, stammelte Feiqing. » Anscheinend kennt ihr mich alle, aber ich habe keinen von euch jemals gesehen … Nie in meinem Leben! «
    Der Gildenmeister schnaubte leise, so als fehlte ihm die Zeit, sich mit derart absurden Ausflüchten abzugeben.
    » Feiqing hat sein Gedächtnis verlore n «, kam Wisperwind ihm zu Hilfe. » Falls er schon einmal hier war, dann kann er sich nicht mehr daran erinnern. « Ein wenig schärfer setzte

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