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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Alte nickte.
    » Aber er lügt! «, rief Alessia. » Dieser verdammte Dreckskerl lügt! «
    » Signorina! « Lucia schlug das Zeichen des Zeitwinds . Die Voraussagen des Schattendeuters galten als unfehlbar, der Zweifel daran als Frevel. Seit Generationen lasen Carpi und seine Vorgänger die Zukunft aus der Form des Schattens ab, den die Wolkeninsel auf den Erdboden warf. » Der Schattendeuter ist vor die versammelten Männer getreten, nachdem Euer Vater sie zusammengerufen hatte. Bevor sie zur Ebene abmarschiert sind, hat er ihnen verkündet, was er im Wolkenschatten gesehen hat. Un d e s war nicht der Untergang unseres Volkes! « Eine Träne blitzte im Augenwinkel der alten Frau, und Alessia erinnerte sich daran, dass Lucia Söhne und Enkel hatte, die jetzt dort draußen sein mussten. Es war nicht allein die Überzeugung, dass der Schattendeuter unfehlbar war. Lucia wollte daran glauben, wollte es mit all ihrer Kraft . Und sie würde nicht dulden, dass irgendwer diesen Glauben erschütterte. Nicht einmal die Tochter des Herzogs.
    Alessia schloss für zwei, drei Sekunden die Augen, dann nickte sie langsam. » Was hat er über die Wesen gesagt, die uns angreifen? «
    » Nichts «, erwiderte Lucia. In ihrem Tonfall lag jetzt Trotz.
    » Aber du hast gesagt, du weißt, wie sie aussehen. «
    » Weil ich einen gesehen habe. Mit meinen eigenen Augen. « Die alte Frau wich Alessias Blick aus. » Aber das sollte ich Euch nicht erzählen. Wenn Euer Vater davon erfährt, wird er – «
    » Wo hast du ihn gesehen? «
    Lucia kaute nervös auf ihrer Unterlippe, und ihr war anzus e hen, dass sie die letzten Minuten am liebsten ungeschehen gemacht hätte. » Wirklich, Signorina, ich sollte nicht davon sprechen. «
    » Wo, Lucia? «
    » Hier auf dem Hof. «
    » Hier? Aber du hast doch gerade eben gesagt, sie sind nicht bis hierher vorgestoßen. «
    » Ach, herrje, Ihr werdet mich ja doch nicht in Frieden lassen! « Lucia warf die Hände in die Luft, gestikulierte i n w ilder Verzweiflung und plapperte los: » Vor zwei Nächten haben die Soldaten am Rand der Ebene einen von ihnen getötet. Er ist über die Felsen gekommen, wird erzählt, von unten herauf, und erst konnte niemand ihn sehen, weil er im Dunkeln gekommen ist und seine Haut so grau war wie Stein. Aber dann … dann hat er die Männer angegriffen, wie ein wildes Tier, haben sie gesagt, und sie haben ihn mit einer Lanze getötet. Ja, das haben sie getan. « Und genau dasselbe können auch meine Söhne und meine Enkel tun, fügten stumm ihre Augen hinzu. » Sie haben ihn getötet und in der Nacht hier auf den Hof gebracht, um ihn dem Herzog und den Räten zu zeigen. «
    Alessia bekam vor Aufregung kaum Luft. » Ist es noch hier? Das Wesen, Lucia … Ist es noch hier im Haus? «
    » Ich sollte Euch das wirklich nicht sagen. Die Aufregung – «
    Alessia warf die Decke zurück und schwang die Füße über die Bettkante. » Meine Sachen! Ich brauche Kleider . Irgendwas! Und dann führst du mich zu ihm. «
    Alles Elend der Welt spiegelte sich in den Zügen der Amme. » Unmöglich! Das ist strengstens verboten! «
    » Wer hat das Verbot ausgesprochen? «
    » Der Herzog, natürlich! «
    » Und wer wird bald Herzogin sein? «
    » Du meine Güte, Ihr natürlich, Signorina, aber ich kann doch nicht – «
    Alessia stand auf und trat an Lucia vorbei zu einer ihrer Kle i derkisten. Hitze und Schwindel machten ihr z u s chaffen, aber sie wollte sich nichts anmerken lassen und nutzte die Gelegenheit, als sie die Hände nach dem Kistendeckel ausstreckte, um sich darauf abzustützen.
    Lucia griff ihr von hinten unter den Arm. » Ihr seid viel zu schwach! «
    » Ich will diese Kreatur sehen! «
    » Meine Güte, Signorina … «
    » Sofort. «
    * * *
    » Großer Leonardo! «
    Alessia hatte den Raum allein betreten. Lucia war ihr ein Stück den Gang hinunter gefolgt, wohl aus Sorge, sie könnte erneut zusammenbrechen, aber schließlich war sie zurüc k geblieben, hatte noch einmal versucht, Alessia umzustimmen, und dann aus der Ferne zugesehen, wie sie die Tür des Zimmers geöffnet hatte.
    Es war der Raum, von dem aus eine Falltür im Boden hinab in die Halle der Luftschlitten führte. Alessia war viele Male heimlich dort unten gewesen, zuletzt in der Nacht vor Niccolos Aufbruch zum Erdboden. Einen Moment lang sah sie ihn wieder vor sich, wie er auf einem der Schlitten gelegen hatte und reichlich ungeschickt versuchte, die Bewegung der Schwingen zu koordinieren.
    Die Falltür lag verborgen

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