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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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versuchte ich, die Bänder aufzuziehen, mit denen die Ohrenklappen der Pelzmütze vor meinem Mund miteinander verknotet waren. Die ganze Zeit über stand Edersheim mit seinem erhobenem Besen da. Er machte einen Schritt auf mich zu, lehnte den Besen gegen einen Baum, nahm seine Brille ab, putzte die Gläser, setzte sie wieder auf und sagte dann: »Aaron, du hier... was machst du denn hier, wie kommst du denn hierher, du bist doch...«
    »Ich bin nicht Aaron«, wollte ich sagen, aber das gelang mir nicht, weil mein Mund noch immer von den Klappen bedeckt war. Daher zog ich mir die Mütze von hinten über den Kopf.
    Edersheim stand bewegungslos auf dem Pfad, sah mich zu Tode erschrocken an, lächelte dann auf einmal, sagte: »Oh, Sie sind es, Mijnheer Goudveyl, ich dachte wirklich einen Augenblick, Sie wären mein Freund Aaron Oberstein... ja, das kommt... er hat auch eine solche Pelzmütze. Die hat er von einer Konzertreise aus Ungarn mitgebracht. Und eine ähnliche Jacke hat er auch, hatte er früher auch, muß ich sagen. Setzen Sie die Mütze noch einmal auf.«
    Vorsichtig zog ich sie mir wieder über den Kopf.
    »Nein, nein, es ist wirklich nicht zu glauben, Sie ähneln... Sie haben die gleiche Gestalt, und Ihre Augen... ja, die sind es... warten Sie, bleiben Sie doch eben so stehen, ich hole meine Frau.«
    Er lief ins Haus, kehrte gleich darauf mit seiner Frau zurück. Sie sah mich stehen, sagte: »Oh, aber das ist doch Mijnheer Goudveyl, ich verstehe nic ht, warum du solchen Wirbel machst.«
    »Siehst du denn nicht, daß er Aaron ähnlich sieht? Ich war einen Augenblick lang fest davon überzeugt, daß Aaron dort stehen würde.«
    »Ach du, du mit deinen kurzsichtigen Augen! Es wird höchste Zeit, daß du mal wieder zum Augenarzt gehst. Wie kannst du das nur denken? Mijnheer Goudveyl hat überhaupt keinen Bart, während Aaron...«
    »Ja, aber mit der Mütze konnte man das nicht sehen.«
    »Ja, du nicht, weil du halbblind bist, also, kommt jetzt aber schnell mit rein, wir haben noch keinen Sommer.«
    Wir gingen hinein. Im Wohnzimmer saßen zwei junge Frauen nebeneinander auf der Couch. Die Jüngere sah bildschön aus, die Ältere hatte ein liebes Gesicht, aber als sie aufstand, um mich zu begrüßen, kam eine etwas plumpe Gestalt zum Vorschein. Professor Edersheim stellte mich den Frauen vor. Er sagte: »Findet ihr nicht auch, daß Mijnheer Goudveyl eurem Vater ähnlich sieht?«
    »Überhaupt nicht«, sagte die jüngere Tochter.
    »Seine Augen«, sagte die ältere Tochter, »er hat genau die gleichen Augen.« Sie schaute mich lange an, ich blickte zurück, sie senkte die Augen und ließ sich auf die Couch fallen.
    »Hester kommt etwas später«, sagte Edersheim, »und Fräulein Kogeldans auch.«
    »Und ich habe immer gedacht, daß Sie mit Fräulein Kogeldans verlobt seien oder so«, sagte Frau Edersheim zu mir.
    »Ja, das dachte Hester auch«, sagte ich.
    »Aber, wissen Sie, begriffen habe ich das überhaupt nicht«, sagte Frau Edersheim, »Sie sind ein so ernsthafter Mensch, und sie... ja, wie soll ich das sagen, na ja, ihr«, sie richtete sich jetzt an die beiden Damen Oberstein, »werdet es nachher selber sehen. Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee?«
    Während dieses merkwürdigen Kaffeetrinken-Rituals konnte ich meine Augen nicht von Aaron Obersteins bildschöner jüngeren Tochter abwenden. Wenn ich sie ansah, erwiderte statt ihrer die Schwester meinen Blick. Dann sah ich diese kurz an, und sie senkte die Augen. Es war, als spürte sie, was in mir vorging, oder sie verstand, daß ich mich fühlte wie jemand, der vom hohen Sprungbrett gestoßen wird und nicht schwimmen kann. Gleich würde ich das Wasser erreichen, und was dann? Es war, als müßte ich versuchen, diesen Augenblick noch soweit wie möglich hinauszuzögern, und das konnte ich auch, solange ich nicht in Worte faßte, was mir heute abend, dort an der Gartenpforte, klar geworden war. Merkwürdig, daß es mich so enttäuschte! Als ob ich diese Bedrohung, diese Angst, die schon sieben, acht Jahre hindurch mein Leben überschattet hatte, nicht entbehren wollte, nicht entbehren könnte. Aber war denn jetzt alles verändert? War es endlich sicher, daß er... nein, nicht das Wort benutzen, nicht den Schluß ziehen, das brauchte nicht zu sein, es blieb noch Raum für Zweifel, und außerdem saß ich ausgerechnet jetzt im selben Zimmer mit seinen beiden Töchtern. Es waren sehr nette Frauen, ihnen konnte man das nicht antun, nicht einmal in Gedanken, und

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