Das Wüten der ganzen Welt
Kreuzzugskampagne bis in die Cronjéstraat hinein Gläubige »wie Sprotten« an den Thron der Gnade strömen lassen würde.
Grandios sollte die Veranstaltung werden. Am vorletzten Samstag im Dezember würde in jedem Viertel der Stadt Punkt drei Uhr an einem strategisch günstigen Ort ein Bruder eine Gemüsekiste besteigen. Unterstützt von einem Mikrofon und einem Lautsprecher, würde er alsdann so kernig wie möglich das Evangelium verkünden. Da es jedoch mehr Stadtviertel gab, als die Firma Hees & Co. an Mikrofonen und Lautsprechern zur Verfügung stellen konnte, wurde anfangs beschlossen, nur im Hoofd und im Stört Lautsprecheranlagen zu installieren. Später allerdings wurde beschlossen, den Gebrauch einer Lautsprecheranlage von der Anzahl der Ungläubigen in einem bestimmten Viertel abhängig zu machen. Im Hoofd sollte, weil da erstaunlich viele Heiden wohnten, in jedem Fall ein Lautsprecher aufgestellt werden. Andernorts sollte man mit Megafonen arbeiten.
Im Gebäude der reformierten Evangelisationsbibliothek an der Generaal de Wetstraat bereitete Bruder Koevoet regelmäßig die Mitglieder des Evangelisationskomitees auf ihre Gemüsekistenverkündigung vor. Manchmal begleitete ich meinen Vater, um dem Schnellkurs in Evangelisation zuzuhören. Ich erinnere mich noch, wie Bruder Koevoet am ersten Abend mit einer Namensliste der Ungläubigen wedelte.
»Wir sind hier neuntausend Seelen«, rief er. »Dreitausend Reformierte, dreitausend Evangelische, eintausend Papisten, eintausend Christlich-Reformierte und dann noch so irreguläres Zeugs, so fünfhundert Menschen, die apostolisch, Siebentagechristen oder Mennoniten sind oder zur Heilsarmee gehören. Dann bleiben immer noch 458 übrig, die weder Gott noch Gebot kennen, und die stehen hier alle auf der Liste, die werden wir beim Schlafittchen packen, die werden wir am ›Frommen Samstag‹ allesamt bekehren. Wie Sprotten werden sie uns zuströmen, alle 458, wie Sprotten.«
Er rollte seine Liste zusammen, rollte sie wieder auf, schwenkte sie, faltete sie wieder zusammen und sagte, während er mit dem Finger an den Namen entlangstrich, zu den Missions-Aspiranten: »Weist sie vor allem auf das Greuz hin, drückt sie mit der Nase auf das Greuz, nehmt sie beim Wickel und werft sie nieder am Fuße des Greuzes. Das Greuz, das Greuz und noch einmal das Greuz. Darum geht es, der Rest kommt später.«
Es verwunderte und störte mich damals übrigens, daß er das Wort Kreuz wie »Greuz« aussprach; jetzt, nach all den Jahren, erstaunt es mich weniger. Dennoch kann ich kaum glauben, daß ich diese Kreuzzugskampagne wirklich mitgemacht habe. Habe ich da als Kind gesessen, in diesem kleinen Saal mit den schmuddeligen weißen Wänden, auf denen grüne Bibeltexte angebracht waren? »Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.« Habe ich Koevoet wirklich sagen hören: »Zuerst und vor allem das Greuz, dann kommt der Rest von selbst«?
»Aber was sollen wir denn über das Kreuz sagen?« fragte Everaarts zaghaft.
»Ihr sagt, wo es gestanden hat und wer mit Händen und Füßen daran festgenagelt war«, sagte Koevoet, »dann seid ihr schon ein ganzes Stück weiter. Eventuell könnt ihr auch noch sagen, daß damit unsere Sünden abgewaschen sind, aber seid vorsichtig, nicht zuviel auf einmal. Ihr müßt sie nicht überfüttern. Erst das Greuz, wenn sie das erst mal wissen.«
»Ich würde meinen«, sagte Van Aalst, »erst der Gekreuzigte.«
»Nein«, sagte Koevoet ärgerlich, »dann bist du schon einen Schritt zu weit, dann setzt du schon den zweiten Schritt vor den ersten. Erst das Greuz selber, das hämmerst du ihnen ein, da sind haufenweise Leute dabei, die wirklich keine Ahnung haben, die haben wirklich noch nie vom Greuz gehört. Wenn du dann sofort mit dem Gegreuzigten anfängst, ist es, als wenn du ihnen Brüche aufgibst, während sie doch erst rechnen lernen müssen, begreifst du. Nicht gleich ins Tiefe, erst in das Nichtschwimmerbecken, erst das Greuz.«
»Da seh ich schwarz, wenn das man gutgeht«, sagte Everaarts.
»Gut«, sagte Koevoet, »ich will mal ein bißchen nachhe lfen. Wenn es zu schwierig für dich ist, sofort beim Greuz anzufangen, fang beim Roten Meer an. Von da kommst du direkt nach Golgatha. Paß auf, kein Mensch hier im Hoofd hat die Große Sturmflut vergessen. Sie wissen alle noch, wie sie hier klatschnasse Füße gekriegt haben. Also, wenn du ihnen ein bißchen vom Roten Meer erzählst und von einer riesigen Menge Wasser und von dem Volk Gottes,
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