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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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Uferrand nieder. Sein weißer Arm verschwand in dem trüben, strömenden Wasser. Er zog Seerosen nach oben. Sie lösten sich, trieben mit der Strömung davon. Eine einzelne weiße Blüte kreiste in einem Strudel.
    »Ich glaube, daß ich alles weghabe, wo er sich verstecken kann«, sagte er, »ich werd's noch einmal probieren, und wenn ich ihn zu fassen kriege, bist du ein gemachter Mann!«
    Wieder verschwand der weiße Arm im Wasser.
    »Ja«, rief er, »ich hab ihn!«
    Mit einem heftig sich windenden, absurd dicken Aal, braun wie eine Kirchenbank, in der Faust kam sein Arm wieder nach oben.
    »Donnerwetter«, sagte Vroombout, »was für ein Riesending. Was machst du damit?«
    »Mitnehmen«, sagte ich, »die zu Hause sind versessen auf Aal.«
    »Wer nicht? Ich verachte ihn auch nicht gerade. Kann ich ihn dir nicht abkaufen?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Ich geb dir ein Quartje dafür«, sagte er.
    Ich zögerte einen Augenblick. Er lächelte mich an und sagte: »Du verachtest bestimmt kein Geld. Also zwei Quartjes.«
    »Nein, nein«, sagte ich fast verzweifelt, »sie sind zu Hause verrückt danach, und dies ist so ein dicker Jonny!«
    »Na ja, schade«, sagte er, »ich hätte heute abend gern einen Teller Aal gegessen, aber kein Streit unter Freunden, und vielleicht fängst du ja noch einen. Wie lange bleibst du noch?«
    »Noch den ganzen Nachmittag«, sagte ich.
    »Ich komm nachher noch mal vorbei«, sagte er. Widerstrebend ließen es die raschelnden Brombeeren zu, daß er sich einen Weg dorthin zurückbahnte, von wo er gekommen war. Und noch widerstrebender klangen die Brombeeren, als er eine gute Stunde später wieder auftauchte.
    »Und?« fragte er. »Noch mehr Aale?«
    »Nee«, sagte ich.
    »Oh«, sagte er, »na ja, schade, ich... ich...«
    Er seufzte, und dieser Seufzer klang genau wie das Geräusch des strömenden Wassers.
    »Willst du vielleicht doch ein Quartje?« fragte er.
    Ich antwortete nicht. Das »schmatzende Wasser rauschte«, und immer wieder mußte ich meinen Schwimmer, der mit der Strömung fortgezerrt wurde, aus den Strudeln holen.
    »Na?« fragte er.
    Vorsichtig ließ ich meinen Schwimmer wieder sinken. Das Wasser trug ihn sofort mit sich. Eigentlich müßte man, wenn es strömte, am Ufer entlang mitlaufen. Dann finge man phantastisch viel.
    »Wenn du jetzt deine Hose und deine Unterhose vor mir ausziehst, kriegst du von mir ein Quartje«, sagte Vroombout.
    Warum er dafür bezahlen wollte, um mich halb nackt zu sehen, kapierte ich nicht, aber ich lechzte nach dem Quartje, der mit dem Aal schon in Reichweite gewesen war. Nichts wollte ich lieber, als Musikstunden nehmen, aber darüber konnte zu Hause unmöglich gesprochen werden. Dann würde nur gezischt werden: »Kost' Geld!« Mit einem Quartje konnte ich keine Musikstunden bezahlen, das wußte ich natürlich, aber ich würde es den Centen und Gulden hinzufügen können, die ich ab und an in den Hosentaschen von Lumpen fand. Daß ich manchmal in den alten Fetzen auf Geld stieß, hatte ich meinem Vater und meiner Mutter nie gesagt. Dieses Geld versteckte ich immer sorgfältig hinter der Tapete in meiner Dachkammer.
    Vorsichtig zog ich meinen Schwimmer hoch. Ich lehnte meine Angel an die Trauerweide. Ohne etwas zu sagen, ohne ihn anzusehen, stellte ich mich hin und zog, hastig veranlagt, wie ich nun einmal bin, in Windeseile meine Hose und meine Unterhose aus. Dann stand ich da, und es war Sommer, und »Wind und Weh und Wolken wiegten sich«, und er schaute, aber es machte mir nichts aus, das Wasser strömte, und die festsitzenden Seerosen wollten mitströmen, und überall webten die hellweißen Ackerwinden. Er sagte: »Setz dich doch mal hin!«
    Als ich mich hinsetzte, griff ich zufällig einen der Stengel, die er am Mittag herausgezogen hatte. Sofort roch ich den prickelnden Duft des Kalmus, und dieser Duft gab mir Mut, stand mir bei, gab mir sogar die Kraft, das durchzustehen, was dann folgte. Er holte aus der linken Jackentasche seiner Uniform eine Taschenlampe, knipste sie an und leuchtete mit dem durch das Sommersonnenlicht fast unsichtbaren Lichtstrahl auf mein Geschlecht. Dieser Lichtstrahl glich fast einem Finger. Er tastete meinen Penis und meine Hoden rundum ab. Die ganze Zeit über roch ich an dem Kalmus. Dann sagte er: »Zieh's mal wieder an!«
    Rasend schnell zog ich Unterhose und Hose an. »Bitte sehr«, sagte er, »hier ist dein Quartje.« Als ich es in meine Hosentasche gesteckt hatte, legte er mir den Zeigefinger unters Kinn, hob

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