Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
Vom Netzwerk:
»Gärtnerei«. Dann bahne ich mir einen Weg zwischen Brombeeren, Winden und Fliederbüschen, und es ist, als zählte nichts als allein: Sommer, strömendes Wasser, das Summen von Insekten, die hellweiße Farbe der Tausende von Zaunwinden, der Duft von Kalmus, die orangeroten Flossen der Barsche, die du garantiert zurückwirfst, und das wunderbare Gefühl, daß selbst Gott, auch wenn von seinem heiligen Fuß Wind und Weh und Wellen, wie Gezelle sagt, bewegt werden, nicht weiß, wo er dich suchen muß, wollte er dich umbringen. 

Kreuzzug
     
    Am vorletzten Samstagnachmittag des darauffolgenden Jahres, am 22. Dezember 1956, fand die Kreuzzugskampagne statt. An demselben Nachmittag wurde juut Vroombout erschossen.
    Schon im Sommer hatten die Vorbereitungen für die Kreuzzugskampagne begonnen. Auch mein Vater hatte sich bereit erklärt, dabei mitzumachen. »Ich hab nicht die Bohne Lust dazu, aber dann sehen die mich hier vielleicht nicht mehr so schief an«, sagte er. So versammelte sich die Abteilung Hoofd des Evangelisationskomitees unter dem Vorsitz von Koevoet regelmäßig bei uns zu Hause. Daher wußte ich, welches Ziel die Kampagne hatte. Man beabsichtigte nicht mehr und nicht weniger, als daß alle Ungläubigen, die unter uns waren (ungefähr fünfhundert Menschen), sich zu Jesus bekehren sollten. Würde es nicht gelingen, alle fünfhundert, wie Bruder Koevoet sagte, »am Fuße von Gristus' Greuz niederzuwerfen«, dann würde alles vergeblich gewesen sein.
    »Du kannst aber nicht damit rechnen, daß wirklich jeder unserem hehren Herren zu Füßen fällt«, sagte Brückenwärter Van Aalst in unserem Wohnzimmer.
    »Bruder«, sagte Koevoet, »nicht so kleingläubig. Wir haben eigens den Samstag vor Weihnachten für den Greuzzug ausgesucht. Gibst du den Ungläubigen gerade an dem Samstag ordentlich eins drauf, dann ist danach beinahe nichts mehr nötig, um sie zu Weihnachten alle miteinander in die Kirche zu bekommen. Wenn wir jetzt schon anfangen zu beten, und wenn der Herr uns reichlich segnet, werden wir sie wie Sprotten zum Thron der Gnade bringen.«
    »Kann sein«, sagte Van Aalst, »aber ich weiß von einem Kommunisten, der in der Cronjéstraat wohnt und den ich neulich noch im Zigarrenladen Speyer habe sagen hören, es sei unmöglich, daß Jona drei Tage in dem Magen von diesem Walfisch gesessen hat.«
    »Und auch nicht zwei Tage?« fragte Bruder Koevoet.
    »Oh, das weiß ich nicht«, sagte Van Aalst, »danach habe ich nicht gefragt.«
    »Frag dann nächstes Mal. Guck mal, wenn so'n Mann überhaupt nicht glaubt, daß Jona im Walfisch gesessen hat, dann ist es ziemlich hoffnungslos, aber wenn er nun doch noch glauben kann, daß er zwei, notfalls einen einzigen Tag in diesem Walfisch...«
    »Ja, ja, ich verstehe schon«, sagte Van Aalst, »dann ist es nur ein kleiner Schritt zu den drei Tagen.«
    »Genau. Eins kannst du mir glauben: Ein Ungläubiger ist oft weniger ungläubig, als er denkt.«
    »Aber in der De La Reystraat«, sagte mein Vater, »wohnt ein Gottesleugner, der kauft alte Bibeln auf und benutzt die Seiten, um sich daraus seine Zigaretten zu drehen, damit kommt er billiger weg, sagt er, als wenn er Mascotte kauft. So einer, das ist doch ziemlich hoffnungslos...«
    »Nein, nein«, rief Koevoet, »nicht verzweifeln und immer weiter beten. Gerade um solch einen Mann mußt du dich kümmern. Sieh dir die Sonnenseite an: Er verachtet die Heilige Schrift ja gar nicht! Heute oder morgen dreht er sich eine, und wenn er gerade das Zigarettenpapier mit etwas Spucke zuklebt, fällt sein Auge auf die Stelle: ›Gehet ein durch die enge Pforte!‹«
    »Ob das hilft?« fragte Bruder Everaarts.
    »Und ob«, sagte Bruder Koevoet, »aber soweit braucht es gar nicht zu kommen, wir werden ihn schon jetzt tüchtig in die Mangel nehmen. Er hat den Ehrenplatz oben auf der Liste aller Ungläubigen, und wir werden alle diese verflixten Ungläubigen an dem Samstag einzeln persönlich besuchen. Wie Sprotten werden sie dem Thron der Gnade zuströmen. Wie Sprotten.«
    »Ich für meinen Teil sehe da schwarz«, sagte Everaarts, »alle zusammen, das geht meiner Meinung nach nicht, das ist etwas zuviel verlangt.«
    Bruder Koevoet faltete die Hände. »Ich spreche jetzt sofort ein Gebet«, sagte er, »dann flehen wir Gristus an, euch davon zu überzeugen, daß es uns gelingen wird.«
    Und er flehte mindestens fünf Minuten lang, und nach diesen fünf Minuten waren auch Van Aalst und Everaarts davon überzeugt, daß die

Weitere Kostenlose Bücher