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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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meinen Kopf und sagte: »Denk daran, daß du hierüber mit niemandem sprichst. Wenn ich merke, daß du darüber gesprochen hast, kommst du ins Kittchen.«
    Er brauchte mir nicht zu drohen. Wem hätte ich erzählen sollen, was mir geschehen war? Meinen Eltern? Das wäre mir nie eingefallen. Außerdem hatte ich Angst, daß ich, wenn ich es erzählen würde, meinen dürftigen Lohn für so wenig Arbeit abtreten müßte. Dennoch ging ich mit einem bleischweren Herzen nach Hause. Mein Vater merkte nichts, war nur außer sich über das sich windende Ungetüm. Er ließ einen Eimer voll Wasser laufen, tat den Aal hinein, legte eine Glasplatte darauf und sagte liebkosend: »Eine Nacht in sauberem Wasser, mein lieber Junge, dann bist du morgen deinen Sumpfgeschmack los.«
    Nach diesem Samstagnachmittag bekam ich, als ich das nächste Mal in der »Gärtnerei« angelte, wieder Besuch von Vroombout. Sobald er sich zwischen den widerstrebenden Brombeeren hindurchgewunden hatte, sagte er: »Man kann kaum erkennen, was hier wirklich wächst, alles ist von der Zaunwinde überwuchert.« Danach machte er eine Bemerkung über das Wetter, er fragte, ob ich schon etwas gefangen hätte, und sagte dann beiläufig und nervös: »Und? Willst du noch ein Quartje?«
    Wie viele Quartjes habe ich in dem Sommer und in dem Herbst verdient? Wie viele Male hat er mit dem Strahl seiner Taschenlampe mein Geschlecht angeleuchtet? Rückblickend erscheint es mir, als wäre er hundertmal durch die Brombeeren gekommen. Und doch kann das Ritual sich nicht häufiger als etwa fünfzehnmal vollzogen haben.
    Beim zweitenmal fehlte der ermutigende Duft des Kalmus. Beim drittenmal zog ich, noch ehe Vroombout erschien und bevor ich mich auf dem Weidenstumpf niederließ, Kalmus heraus. Ich knickte den Stengel, legte ihn neben mich.
    Mit dem Duft von Kalmus konnte ich meine Heimsuchung durchstehen. Ein einziges Mal kam er nicht, und ich merkte, daß ich ein bißchen enttäuscht war.
    Es war schon Herbst, und es wuchs kein Kalmus mehr, als er an einem Samstagnachmittag nicht in Uniform, sondern in Zivil erschien. Das erschreckte mich, aber er sagte: »Schönes Wetter heute, was?« und fragte dann: »Und? Wollen sie heute einigermaßen beißen?«
    Ohne auf seine Frage zu warten, ob ich ein Quartje wolle, stand ich auf. Schnell ließ ich meine Hose und meine Unterhose fallen. Er knipste seine Taschenlampe an. Es war ein dunkler, trüber Nachmittag. Man sah den Lichtstrahl viel besser als an all den vorangegangenen Nachmittagen. Sobald der Lichtstrahl mein kleines faltiges, ordentlich zusammengelegtes Geschlecht erreichte, richtete sich mein Penis auf.
    »Der kommt ganz von allein hoch«, sagte Vroombout verblüfft. »Sieh dir das an, so jung noch, und doch kommt er ganz von allein hoch!«
    Er knipste die Taschenlampe aus.
    »Darf ich ihn mal eben festhalten?« fragte er.
    »Einen Gulden«, sagte ich schroff.
    Er nickte.
    Mit geschlossenen Augen stand ich da, und ich fühlte, wie er vorsichtig meinen steifen Penis betastete. Er fragte schmeichelnd: »Kannst du schon spritzen?«
    Hastig trat ich einen Schritt zurück. Mein Geschlecht hing frei, er wollte es wieder packen, aber ich sagte: »Los, gib den Gulden!«
    Bevor er das Geld überhaupt nur hatte rausholen können, hatte ich Unterhose und Hose schon wieder an. Er gab mir das Geld, blinzelte mir zu, klopfte mir leicht auf die Schulter und ging dann zwischen den widerstrebenden Brombeeren fort. Schmerzlich vermißte ich den Duft von Kalmus, aber Gott sei Dank wurde es an jenem Tag früh dunkel, und ich konnte nach Hause schleichen. Die Straßen waren schon in das Licht der Gaslaternen getaucht, das für soviel lieblichere und trostreichere Schatten sorgte, als es später elektrisches Licht tun würde. Zu Hause angekommen, war es, als hätte es gar nicht geschehen sein können, und wenn es doch geschehen war, so war die Angelsaison vorbei, und ich brauchte keine Angst zu haben, daß es je wieder würde geschehen können. Außerdem wurden noch in demselben Winter die Weiden geschlagen. Der rostige Zaun wurde entfernt, die Brombeersträucher wurden verbrannt. Und ein Jahr später standen da schon kleine Bungalows mit makellosen Rasenflächen, und die Zaunwinde war ausgerottet.
    So angelte ich ein einziges Frühjahr, einen einzigen Sommer, einen einzigen Herbst, ich, der ich viel zu hastig veranlagt war, um je die Geduld aufzubringen, am Wasser zu sitzen und auf einen Schwimmer zu starren. Doch träume ich manchmal von der

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