Das Wüten der ganzen Welt
Himmelsgewölbe. Deutsche Flugzeuge flogen über sie hinweg. Das Brummen der Motoren klang überraschend friedlich unter dem sonnigen, trügerisch sommerlichen Himmel.
Als sie auf offener See waren, teilte Vroombout einen Rachenputzer aus. »Um zu feiern, daß wir mit heiler Haut an den Minen vorbeigekommen sind«, sagte er.
Vielleicht hätte er das besser nicht tun sollen. Noch bevor sie in internationalen Gewässern waren, entdeckte der jüngere Bruder von Vroombout ein graues dunkles Gebilde. Er rief Matrose Leen Varekamp, der für seine außergewöhnlich scharfen Augen bekannt war.
»Kannst du sehen, was das ist?« fragte Arend Vroombout.
»Also, wenn du mich fragst«, sagte Varekamp, »ist das ein Walfisch!«
»Der hat doch gar nicht Luft genug, um so lange über Wasser zu bleiben«, sagte Arend Vroombout, der offenkundig nicht viel Ahnung von Walfischen hatte.
»Nee, da hast du recht«, sagte Leen Varekamp, der ebenfalls nicht viel Ahnung von Walfischen hatte.
Sie standen nebeneinander und schauten auf die dunkle Silhouette. Schiffer Vroombout trat zu ihnen, blickte kurz hin und sagte: »Das ist ein Unterseeboot, es hält direkt auf uns zu.«
Sie änderten ihren Kurs. Das Unterseeboot näherte sich jedoch schnell. Es war ein deutsches U-Boot, das, vom Atlantischen Ozean kommend, auf dem Weg nach Hamburg war. Als der Abstand keine zwei Meilen mehr betrug, gab das U-Boot einen Schuß ab.
»Wir sollen beidrehen«, sagte Fischer Vroombout ruhig.
Eins der beiden Beiboote der »Majuba 2.« wurde ausgesetzt. Vroombout fuhr, zusammen mit seinem Bruder und Varekamp und Robbemond, an das U-Boot heran. In dem friedlichen Licht der immer noch warmen, aber schon im Westen stehenden Sonne erklommen sie die schmale Brücke. Der Kommandant, ein freundlicher, gesetzter, schon etwas älterer Deutscher, prüfte ihre Schiffspapiere und fragte nach dem Bestimmungsort des Kutters.
»Doggersbank, om haring te vissen«, sagte Vroombout.
»Ach so«, sagte der deutsche Kommandant, »Hering.«
»Jawohl«, sagte Vroombout, »Hering«, und griff einen imaginären Hering beim Schwanz, hielt ihn über seinen geöffneten Mund und ließ das unsichtbare Fischchen laut schmatzend in seiner Kehle verschwinden.
Der Kommandant lachte. Er sagte: »Machen Sie weiter!«
»Nein«, sagte ein Offizier. Er zog seinen Kommandanten beiseite, wies auf die »Majuba 2«, flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Kommandant antwortete. Der Offizier flüsterte wieder. Vroombout erzählte später, der Kommandant habe immer wieder gesagt: »Ach, laß doch die Fischer«, und der Offizier habe immer wieder geantwortet: »Man kann nie wissen, ob es wirklich Fischer sind. Laß uns das Gewisse für das Ungewisse nehmen. Wenn wir das Schiff in die Luft jagen, kann uns hinterher niemand den Vorwurf machen, wir hätten unsere Pflicht nicht erfüllt.«
»Sie standen da und redeten ganz gemütlich miteinander«, erzählte Vroombout später, »genau so, als ginge es darum, ob sie sich noch einen Schluck gönnen sollten, bevor sie in die Falle kriechen. Es sah aus, als ginge es überhaupt nicht um die ›Majuba‹, als debattierten sie über etwas völlig Alltägliches. Am Schluß kam der Kommandant wieder zu uns. Er sagte: ›Es tut mir sehr leid, aber wir sind mit Ihrem Land im Krieg. Wir müssen das Gewisse für das Ungewisse nehmen, es tut mir sehr leid, aber wir müssen Ihr Schiff doch sprengen.‹«
»Und da sagte ich zu ihm«, erzählte Vroombout später, »›Mann, unsere erste ›Majuba‹, die ›Majuba I‹, ist '14-'18 von euch torpediert worden, mein Vater hat noch bis '25 darunter gelitten. Und dann hat sich der alte Herr verabschiedet.‹ Na ja, das letzte kapierte der Kommandant nicht, aber er wurde doch wieder unsicher. Aber na ja, dieser zweite Mann, diese Rotznase, quengelte immer weiter, und das einzige, was der Kommandant dann noch zu sagen wußte, war: ›Leider, leider, leider.‹«
Vroombout fuhr mit seinen drei Mann Besatzung zurück. Das andere Boot wurde zu Wasser gelassen. Fünfzehn Menschen verteilten sich auf die beiden Boote. Ein paar deutsche Matrosen ruderten zur »Majuba z«. Einer von ihnen befestigte eine Bombe am Vorsteven. Sie ruderten zurück. Die Bombe explodierte, schlug ein Leck oberhalb der Wasserlinie des Schiffes, so daß die »Majuba 2« nicht sank.
»Wir dachten damals«, erzählte Vroombout später, »daß es dabei wohl bleiben würde und daß wir wieder an Bord hätten gehen dürfen. Mit dem Leck hätten wir leicht
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