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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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ihn zu töten.« Der Herr suchte ihn zu töten. Das begriff ich überhaupt nicht. Wenn Gott jemanden töten wollte, brauchte er doch nur mit den Fingern zu schnippen? Dann brauchte er doch nicht nach einer Gelegenheit zu suchen, jemanden zu töten? Und warum suchte er ihn zu töten? Die Bibelstelle kam für mich wie aus heiterem Himmel; offenbar konnte es plötzlich geschehen, daß Gott aus unerklärlichen Gründen auf einmal wütend auf dich war, und dann suchte er dich zu töten. Wenn er sogar Moses hatte umbringen wollen, dann war niemand jemals sicher vor ihm. Dann konnte er auch mich eines Tages zu töten suche n.
    Vielleicht wäre die Bibelstelle weniger gut haftengeblieben oder hätte mich weniger beeindruckt, wäre ich nicht mittags im Schwimmbad beinahe ertrunken. Normalerweise war ich, da Bademeister Jacobs über uns wachte, im Schwimmbad ziemlich sicher. An diesem Sommernachmittag schwamm ich nach einem Sprung aus der Höhe gerade ins Tiefe. Es war warm, drückend warm. Ab und an strich ein glühendheißer Windhauch über das Wasser. Laut klang der Lärm der vielen Kinderstimmen. Auch das Wasser war warm, und ziemlich langsam schwamm ich zu einer der kleinen Treppen. Als ich nah am Rand war, hörte ich jemanden schreien: »He, da haben wir den gassie von Goudveyl, den wolln wir mal, den wolln wir mal...«
    »Nicht rauslassen«, schrie eine andere Jungenstimme, »halt ihn fest, zieh ihn unter Wasser, den kleinen Liebling von unserm juut.« Bevor sie mich jedoch unter Wasser ziehen konnten, war ich schon an der Treppe. So schnell wie möglich versuchte ich, aus dem Wasser zu klettern, aber von allen Seiten krallten sich Finger um meine Hände. Obwohl ich meine Hände noch ziemlich lange um das Eisen klammern konnte, mußte ich mich nach einer Weile geschlagen geben. Klatschend fiel ich ins Wasser zurück, hörte das Gejauchze am Rand und fühlte dann, wie sich zwei Füße auf meine Schultern stellten und ich unter Wasser gedrückt wurde. »Mach ihn fertig, mach ihn fertig, Kurt«, hörte ich es johlen, »mach ihn nun endlich ein für allemal fertig, den blöden Bullenliebling!«
    Wie merkwürdig, daß ich nicht die Geistesgegenwart hatte, unter seinen Füßen wegzutauchen. Aber vielleicht hätte mich das, selbst wenn es mir gelungen wäre, auch nicht retten können. Links und rechts klatschten gassies ins Wasser. Wäre ich unter den Füßen von Kurt Boog weggetaucht, dann hätten sie mich immer noch ein Stück weiter unter Wasser festhalten können. Wie dem auch sei: Bei dem Namen eines meiner schlimmsten Quälgeister, Kurt Boog, geriet ich erst recht in Panik. Verzweifelt versuchte ich hochzukommen, aber Kurts Füße drückten schwer auf meine Schultern. Ich hatte nic ht die geringste Chance, und es war, als würde ich ersticken, ich mußte Luft holen, und ich tat es, und meine Lungen füllten sich mit Wasser. Danach wurde alles zuerst feuerrot und dann tiefschwarz, und von dem Augenblick an weiß ich nichts mehr.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem schmalen Betonrand zwischen dem Becken für Nichtschwimmer und dem für Schwimmer. Bademeister Jacobs bewegte meine Arme abwechselnd auf und ab. Ich spuckte Wasser, schaute in den blauen Himmel und wußte, daß Gott von dort, aus unendlich weiter Ferne, überheblich aus dem Himmel auf mich niederblickte. Auch mich suchte er offenbar zu töten. Während ich dort lag und mir vorstellte, wie er, unzufrieden über seinen Fehlschlag, mich zu töten, die ganze Zeit auf mich niederblickte, hörte ich Kurt Boog zu Bademeister Jacobs sagen: »Ich hab ihn da rausgeholt, ich hab ihn da rausgeholt!«
    So verwandelte er sich selbst von einem Peiniger in einen Retter. Später war es, als müsse er im nachhinein die Rolle des Retters wahrmachen. Er schlug sich auf die Seite von Vroombout und stellte sich vor mich, wenn die gassies es auf mich abgesehen hatten. Dennoch habe ich ihn in der Zeit, in der er mein Peiniger gewesen ist, weniger gehaßt als später, da er sich als mein Retter aufspielte.
    Bei Tisch erzählte ich, ohne allerdings den Text von Moses zu erwähnen, daß die gassies versucht hätten, mich zu ertränken. Nach meinem Bericht sagte mein Vater: »Na, ich will für dich hoffen, daß es nicht deine letzte Niederlage ist.« Und meine Mutter sagte trocken: »Du wirst es wohl dementsprechend getrieben haben.«

Varekamp
     
    Montag morgens strömten Hausfrauen und hittepetitjes gegen sechs Uhr mit leeren Eimern zum Eingang der Wäscherei De Vries. Sobald

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