Das Wunder der Dankbarkeit
uns eigentlich jemals für die vielen wunderbaren Jahre in Frieden, Wohlstand und Sicherheit bedankt? Oder waren sie uns einfach nur selbstverständlich geworden?
Auch in dieser Situation scheint mir Dankbarkeit genau das Richtige zu sein. Ich glaube, mit ihr können wir die kranke Finanz- und Wirtschaftswelt von innen kurieren. Wie das gehen soll? Nimm mal an, die Wirtschaft der ganzen Welt wäre ein Körper, so wie der menschliche. Die großen Firmen sind die Organe und Körperteile, ihre Mitarbeiter sind die Zellen dieser Organe, und unser Geld ist das Blut, mit dem alle Zellen im Körper versorgt werden. Nun stell dir weiter vor, dieser große Körper würde krank. Er funktioniert nicht mehr richtig – und schon haben wir die Weltwirtschaftskrise. Wir müssen Mittel suchen, mit denen wir die Krankheit heilen können. Und eines davon ist die Dankbarkeit.
Erinnere dich noch einmal an die These des Soziologen Georg Simmel, der meinte, ohne Dankbarkeit würde die Gesellschaft, so wie wir sie heute kennen, auseinanderfallen. Er sieht in der Dankbarkeit ein wichtiges Bindeglied für unser Miteinander.
Teile eines kranken Systems
Zunächst einmal müssen wir akzeptieren, dass auch wir selbst Teile des Ganzen sind. Da findet also nicht etwas Abstraktes statt, mit dem wir nichts zu tun haben. Nicht allein „die Banken“, „die Wirtschaft“ und „der Staat“ sind krank, sondern auch wir alle, die wir Teile des großen Körpers sind. Deshalb ist dessen Krankheit auch unsere Krankheit. Die äußere Krise ist nur eine Folge des kranken Innenlebens. Das wird sehr deutlich, wenn wir einen Blick in die Firmen werfen. Bereits lange vor den wirtschaftlich unsicheren letzten Jahren hat sich in den Unternehmen ein wachsender Druck breitgemacht: Immer weniger Mitarbeiter müssen immer mehr leisten, um permanent Wachstum zu erzeugen. Die Konsequenz dieser Entwicklung ist in vielen Unternehmen heute deutlich zu spüren. Sowohl Führungskräfte als auch Angestellte leiden immer häufiger unter Burn-out, Überlastungssymptomen und Depressionen. Viele fühlen sich den steigenden Ansprüchen des Arbeitslebens kaum noch gewachsen. Ängstlich werden die Kollegen beäugt, ob sie nicht vielleicht mehr Leistung bringen als man selbst. Die Freude an der Arbeit geht dabei verloren. Viele meiner Freunde um die 40 oder 50 haben oder hatten einen Burnout. Auch Bärbel war davon betroffen. Laut einer Studie der Krankenkasse AOK ist im Jahr 2010 jeder zehnte Fehltag am Arbeitsplatz durch akute Erschöpfung bedingt gewesen. Im Vergleich zum Jahr 1999 ist dies ein Anstieg um 80 Prozent! 2010 resultierten damit mehr als 1,8 Millionen Fehltage aus der Diagnose „Burn-out“.
Die Konsequenzen der beruflichen Überforderung sind weitreichend: Wir gehen ungern zur Arbeit, die uns vor allem eine Last ist. Wir sehnen uns nach dem nächsten Urlaub, um dem Arbeitsdruck endlich zu entfliehen. Wir haben Angst, unsere Arbeitsstelle zu verlieren. An Dankbarkeit ist in so einer Situation nicht zu denken. Vielmehr findet sich hier der ideale Nährboden für Unzufriedenheit. Und die wirkt sich selbstverständlich auch auf die Firma und die Wirtschaft aus.
Alle Beteiligten leiden
Andererseits geht es auch der Weltwirtschaft und den einzelnen Firmen nicht besser als uns. Der oben beschriebene Körper ächzt unter der Last, immer mehr und immer schneller produzieren und Gewinn abwerfen zu müssen. Auch ihm ist es schon lange zu viel, auch er leidet unter diesem Leistungsdruck und Profitdenken. Bei einem Firmencoaching haben Bärbel und ich mal an alle Führungskräfte die Frage gestellt: „Wenn du dieses Unternehmen wärest, was würdest du dir am meisten von deinen Angestellten wünschen?“ Die Antworten waren durch die Bank ähnlich: „Wenn ich diese Firma wäre, würde ich mir mehr Anerkennung von den Mitarbeitern wünschen. Oft sehen sie gar nicht, was ich alles für sie tue. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass meine Mitarbeiter am Morgen freudig zu ihrer Arbeitsstelle kommen und am Abend wieder freudig nach Hause gehen.“ Im Grunde waren alle Befragten der Meinung, die Firma wünsche sich ganz einfach mehr Dankbarkeit.
Offenbar leiden beide Seiten an der Situation und beiden mangelt es an Wertschätzung und Dankbarkeit der anderen. Ein Leser schrieb mir, er wünsche sich nichts so sehr wie einen neuen Job. Bei seiner jetzigen Stelle im Einzelhandel sei alles blöd: der Chef, die Kollegen und der Job sowieso. Sein Brief war voll von Klagen
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