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Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Titel: Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Addison Allen
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zurückgezogenen Chemielehrer geworden war, hätte sie aus diesen Fotos geschlossen, dass dem jungen Mann eine glänzende Zukunft bevorstand – als Filmstar oder auch als Politiker.
    Aber er hatte ein bescheidenes Leben führen wollen, das Leben, das seine Mutter sich für ihn wünschte. Denn ihre Meinung war ihm äußerst wichtig gewesen.
    Bei der nächsten Seite verschwand Willas Lächeln. Ihr Blick fiel auf ein Foto ihres Vaters mit etwa dreißig. Er heiratete erst acht Jahre später, und Willa wurde zehn Jahre später geboren. Auf dem Foto trug er eine witzige, zu der Zeit moderne Hose, und seine Haare waren so lang, wie sie sie nie an ihm gesehen hatte. Seine Hände steckten in den Taschen, und er blickte auf eine Weise in die Kamera, dass das Foto fast zu beben schien von der Kraft seiner Persönlichkeit. Er vermittelte den Eindruck, als wäre die Welt für ihn ein reifer Pfirsich, von dem man nur abzubeißen brauchte. Aus irgendeinem Grund blieb ihr Blick besonders lange an diesem Foto haften. Es erinnerte sie an etwas, doch sie konnte nicht sagen, woran.
    Plötzlich fiel ihr ein Gespräch ein, das sie auf der Beerdigung ihres Vaters mit einer seiner Kolleginnen geführt hatte. Mrs Pierce hatte Willa erzählt, dass die Damenwelt Ham zu Füßen lag, bevor er Willas Mutter heiratete. Damals konnte Willa sich das gar nicht vorstellen. Aber Mrs Pierce hatte darauf beharrt, dass Ham eine ganz besondere Ausstrahlung gehabt hatte, als er vom College zurückkam. Sie hatte gemeint, dass Hams Mutter immer sehr streng gewesen sei und er in seiner Kindheit und Jugend ziemlich schüchtern war. Aber als Erwachsener schien er ein ganz anderer Mensch gewesen zu sein. Die weiblichen Lehrkräfte hatten ihn im Lehrerzimmer umschwärmt und ihn mit Süßigkeiten verwöhnt, die sie aufwendig selbst zubereitet hatten – köstliche Torten, Kuchen und Plätzchen. Ab und zu verabredete er sich mit einer von ihnen, und die so Auserkorene schwebte dann tagelang im siebten Himmel. Auch Hams Schülerinnen waren so verknallt in ihn, dass sie so manches Mal über ihren Bunsenbrennern Tränen vergossen und Haarlocken in seine Schreibtischschublade legten. Es hatte sogar einen kleinen Skandal gegeben, als ein paar Mütter sich zusammentaten und versuchten, Hams Karriere zu fördern. Er war mit seinem Lehrerdasein zufrieden gewesen, doch sie wollten, dass er Konrektor, Rektor oder Schulinspektor wurde. Dafür waren sie nicht einmal vor Erpressung zurückgeschreckt. Er sei damals unglaublich charismatisch gewesen, hatte Mrs Pierce voller Inbrunst gesagt.
    Als sie dieses Foto betrachtete, konnte Willa Mrs Pierce endlich verstehen. Anscheinend hatte es Großmutter Georgie aufgenommen. Im Hintergrund war ihr Wohnblock zu sehen. Auch sie schien verwundert über den Anblick ihres Sohns. Die Aufnahme wirkte etwas verschwommen, als hätte sich die Kamera Sekunden, bevor der Auslöser betätigt wurde, bewegt.
    Willa sah sich noch flüchtig die übrigen Fotos an, doch dann blätterte sie wieder zurück zu dem Schnappschuss. Sie hatte vorgehabt, nach Hinweisen zu suchen, dass ihre Großmutter nichts mit dem Skelett auf dem Hügel zu tun hatte. Die Fotos ihres Vaters brachten sie nicht weiter. Sie sollte das Album einfach weglegen und sich die nächste Schachtel vornehmen.
    Doch sie konnte nicht aufhören, auf dieses eine Foto zu starren. Warum kam es ihr so bekannt vor, fast so, als hätte sie es erst kürzlich gesehen?
    Schließlich nahm sie es aus dem Album und legte es auf den Couchtisch.
    Mehrere Stunden brachte Willa damit zu, die übrigen Schachteln zu durchsuchen. Wie sie schon vermutet hatte, gab es nichts aus der Zeit ihrer Großmutter im Madam. Sie musste sich wohl oder übel einen anderen Weg einfallen lassen, um an ein paar Informationen zu kommen.
    Stöhnend richtete sie sich auf. Sie hatte so lange auf dem Boden gesessen, dass ihr die Beine eingeschlafen waren. Sie ging zur Eingangstür und vergewisserte sich, dass diese abgeschlossen war, schaltete das Licht im Wohnzimmer aus und humpelte zur Küche, um vor dem Zubettgehen noch einen Schluck zu trinken. Als sie den Kühlschrank öffnete, fiel ein Lichtstrahl quer durch die dunkle Küche auf den Küchentisch. Willa blieb vor der offenen Kühlschranktür stehen und trank einen Schluck Saft gleich aus der Flasche. Dann stellte sie die Flasche zurück und drehte sich um.
    In dem Moment bemerkte sie es.
    Sie ließ die Kühlschranktür offen, um etwas Licht zu haben, und ging zum Tisch. Dort

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