Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
bist die Beste, Fran. Vielen Dank!«
Die Bücherei hatte sich bis vor Kurzem im Untergeschoss des Amtsgerichts befunden, doch dann war sie in eine Einkaufsmeile verlegt worden. Als Willa am Abend dort ankam, wartete Fran schon auf sie. Sie stand an der Tür, ein bisschen derangiert und nach Sellerie riechend.
Drinnen überreichte sie Willa die Mikrofiches des fraglichen Zeitraums und trug ihr auf, nicht zu vergessen abzuschließen, wenn sie den Raum verließ. Dann verschwand sie wieder. Willa blieb erst einmal stehen, wo sie war. Es fühlte sich merkwürdig an, so ganz allein in der Bücherei zu sein. Ihr schien, als hätte sie Watte in den Ohren. Schließlich ging sie zu den Lesegeräten im hinteren Teil des Raums. Sie hatte Angst, zu viel Lärm zu machen. Vorsichtig setzte sie sich und begann, die Filme durchzusehen. Mit der Zeit wurde das Klicken und Summen des Geräts ein beruhigendes Geräusch.
Sie brauchte eine Weile, bis sie die Ausgaben aus dem Jahr 1936 fand. Dort angelangt, fing sie beim Januar an und arbeitete sich durch das ganze Jahr.
Der Society Newsletter war von einer reichen, kinderlosen Frau namens Jojo McPeat herausgegeben worden. Er umfasste nur eine Seite, die angefüllt war mit Klatsch über gesellschaftliche Ereignisse, meist ergänzt durch ein oder zwei Fotos.
So las sich dann ein solches Ereignis:
»Mrs Reginald Carter und ihre Tochter sorgten mit ihren pinkfarbenen Mänteln auf dem alljährlich im Januar stattfindenden Schnee-Ball der Ingrams für Furore. Die Eisskulpturen belauschten einige Damen, die meinten, das Paar sehe aus wie Zuckerwatte. Aber die meisten waren von dem Ensemble, das von passenden Ohrenschützern und Muffs vervollständigt wurde, begeistert.«
Jojo ließ sich gern lang und breit über die Kleidung der Damen aus. Außerdem liebte sie es, anonyme Schwarzseher zu zitieren. Am spannendsten fand Willa die kleinen, im Text verborgenen Referenzen zum eigentlichen Geschehen in der Stadt. Oft wurden auf den Partys Lotterien veranstaltet. Der Erlös ging meist an lokale Familien aus der Holzindustrie, die finanziell schwere Einbußen erlitten hatten, als die Regierung die Wälder um Walls of Water herum kaufte. Jojo zitierte auch einen gewissen Olin Jackson – Georgies Vater. Auf einer Party hatte er vollmundig versprochen, dass die Jacksons dem Ort wieder zu Wohlstand verhelfen würden, wie sie es ja schon einmal getan hatten. Auf welche Weise er das zu tun gedachte, sagte er jedoch nicht. Jojo bezweifelte seine Ankündigung – die er angeblich in betrunkenem Zustand geäußert hatte – und fragte sich, wie ein Mann, der seine Tochter in den Kleidern vom Vorjahr herumlaufen ließ, den Ort retten wolle. Es wurden recht oft ein paar Seitenhiebe gegen die Jacksons ausgeteilt, aber sie wirkten wie Kieselsteine, die auf Könige geworfen wurden. Die Jacksons waren fraglos die Lokalmatadoren, selbst wenn sie offenbar in finanziellen Schwierigkeiten steckten.
Willa beugte sich vor, um die körnigen Schwarz-Weiß-Fotos ihrer Großmutter auf diesen Partys genauer in Augenschein zu nehmen. Ihr Herz schlug schneller bei dem unerwarteten Geschenk, ihre Großmutter in jungen Jahren zu sehen. Sie war ein atemberaubend schönes junges Mädchen gewesen. Doch ihr Lächeln wirkte, als wüsste sie nicht, wie schön sie war, oder als wäre es ihr egal. Sie sah temperamentvoll und unschuldig aus und war stets umringt von ihren Freundinnen. Agatha Osgood, auch sie ein hübsches junges Mädchen, obgleich etwas zurückhaltender und ein bisschen knochig, befand sich stets an ihrer Seite.
Willa fühlte sich durch Georgies Fotos zurückversetzt in jene Zeit. Sie konnte das Lachen hören, das Parfüm und den Tabak in der Luft riechen. Sie tauchte so darin ein, dass es ihr vorkam, als wüsste sie, was die Mädchen auf den Fotos dachten. Sie glaubte, ganz deutlich zu erkennen, wann eine von ihnen mit einem Jungen getanzt hatte, der ihr gefiel, und nun zu ihrer Gruppe zurückgeeilt war, um es ihren Freundinnen zu erzählen; wann sie sich über Kleider unterhielten und wann über ihre Familie. Die Mädchen wirkten so sorglos und glücklich. Ihre Zukunft funkelte vor ihnen wie Glühwürmchen und schien nur darauf zu warten, dass sie mit beiden Händen danach griffen.
Und dann tauchte Tucker Devlin auf.
Jojo erwähnte ihn zum ersten Mal im Februar 1936. Mrs Margaret Treble hatte ein Gesichtswasser bei ihm gekauft, und seitdem schwor sie, ihre Haut fühle sich wie Seide an. Mrs Treble hatte
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