Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
her und reg sie nicht noch einmal so auf. Wirklich nicht!«
Paxton kehrte ins Zimmer zurück und schloss die Tür. In Willa stieg ein gewisser Ärger auf, aber sie hatte etwas in Paxton entdeckt, das ihren Unmut besänftigte. Paxton wollte ihre Großmutter beschützen, genau wie Willa die ihre.
So kam es, dass Willa das Pflegeheim mit mehr Fragen verließ, als sie vorher gehabt hatte. In Agathas Stimme hatte eine überraschende Heftigkeit gelegen, als sie erklärt hatte, dass ihre Freundschaft mit Georgie noch immer bestand. Sie hatte geklungen, als wäre diese Freundschaft ein lebendiges, atmendes Wesen. Als wäre sie in dem Moment, als sie geschlossen wurde, lebendig geworden und keineswegs verschwunden, nur weil die Außenwelt sie nicht mehr wahrnahm. Wie weit würde eine solche Freundschaft gehen? Weit genug, um zu lügen? Oder weit genug, um die Wahrheit zu sagen?
Sie fragte sich, ob auch Paxton darüber nachdachte. Doch eines war Willa klar: Bei ihrer Suche nach Antworten konnte sie nicht auf fremde Hilfe hoffen. Sie hatte gespürt, dass eine Wand errichtet worden war. Paxton würde sie nie mehr mit Agatha reden lassen.
Zu Hause zog sie sich erst einmal um, dann ging sie die Treppen hoch zu dem einzigen anderen Ort, der womöglich ein paar Hinweise barg.
Der Dachboden.
Dort war sie lange nicht mehr gewesen. Der Dachboden war düster, staubig und voller Spinnweben. Es sah aus wie ein riesiger Ball aus dünnen Fäden. Willa bahnte sich einen Weg hin zu den aufeinandergestapelten Schachteln, die bis zu den Dachbalken reichten. Hier lagerten ihre alten Spielsachen, die Lehrerauszeichnungen ihres Vaters und auch das Hab und Gut ihrer Großmutter. Es steckte in großen weißen Schachteln unter ein paar Abdeckplanen. Willa war auf dem College gewesen, als ihr Vater seine Mutter zu sich holte. Deshalb wusste sie nicht, was sich in diesen Kartons befand. Vielleicht ein bisschen von allem, denn ihr Vater hatte nie etwas weggeworfen. Die Couch, die Willa in der vergangenen Woche endlich ersetzt hatte, war von ihren Eltern kurz nach der Hochzeit gekauft worden. Im Lauf der Zeit wurde sie mit etlichen Flicken versehen und neu aufgepolstert. Und schließlich hatte Willa all die Marmeladen- und Kaffeeflecken unter einer Decke versteckt.
Sie holte tief Luft, bevor sie damit anfing, die Schachteln auszugraben, die mit dem Namen ihrer Großmutter versehen waren. Eine nach der anderen brachte sie sie nach unten, bis das halbe Wohnzimmer damit voll war.
Sie setzte sich aufs Geratewohl vor eine Schachtel und öffnete sie.
Beinahe wären ihr die Tränen gekommen bei dem Geruch, der ihr entgegenwehte. Zeder und Lavendel, unterlegt mit Borax und Bleiche – Gerüche, die sie immer mit ihrer Großmutter in Verbindung bringen würde. Georgie war fast schon zwanghaft ordentlich gewesen. Willa erinnerte sich noch gut daran, wie ihr Vater ihr erzählt hatte, dass er in Georgies Wohnung gekommen und Geschirr im Waschbecken entdeckt hatte. Das war der erste Hinweis gewesen, dass etwas nicht stimmte. Georgie vergaß nie, das Geschirr zu spülen. Danach war ihr Gedächtnis zusehends schlechter geworden.
Ihr Vater hatte diese Schachteln gepackt, wahrscheinlich mit geschlossenen Augen, denn er hatte die Privatsphäre seiner Mutter strikt respektiert.
Willa stieß auf etliche Dinge, die aus Großmutter Georgies kargem Wohnzimmer stammten. Die Sachen waren einzeln in Zeitungspapier eingewickelt worden. Sie holte ein Päckchen nach dem anderen heraus. Eine kristallene Bonbonniere. Zwei bestickte Kissen. Eine Bibel. Ein Fotoalbum.
Aha. Vielleicht fand sich hier ein Hinweis?
Willa legte sich das Album auf den Schoß und schlug es auf. Sie erinnerte sich daran, dass sie es als Kind angeschaut hatte. Es enthielt nur Fotos, auf denen ihr Vater zu sehen war. Nichts anderes. Großmutter Georgie hatte ein paar von Willas Schulfotos gerahmt und auf ihren Fernseher gestellt, aber ihr Sohn hatte ein eigenes Album gehabt. Willa musste lächeln, als sie es durchblätterte. Ham als Baby, kaum zu sehen in einem langen weißen Taufkleid. Als pausbäckiger kleiner Junge vor einem Haus, wahrscheinlich Hickory Cottage. Fotos aus der Schule, von seiner Abschlussfeier. Dann folgten einige in seinen Zwanzigern, ein sorgloser, munterer junger Mann. Diese Bilder hatte Willa immer ganz besonders geliebt. Man konnte richtig sehen, wie der Charme ihres Vaters stetig zunahm. Wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass er schließlich verwitwet zu einem
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