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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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wir uns nicht leisten. Das müsste ich vom Stadtrat bewilligen lassen, und was meinen Sie, wie die PDS mich dann auseinander nimmt! Nein, dann lassen wir das. Es war auch nur so eine spontane Idee …«
    Während Barhaupt herumdruckste, fasste Berit einen Entschluss. Sie zog einen dicken Strich durch ihre Berechnungen und griff nach dem Telefonhörer.
    »Herr Barhaupt? Hier ist Berit Mohn, das Be von BeGin. Ich habe mitgehört. Und der Auftrag interessiert mich. Wirklich. Wir sind eine junge Firma, und eine so offene Aufgabenstellung ist auch für uns eine Chance. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Meine Partnerin und ich sehen uns Grauenfels erst mal an. Für einen Pauschalbetrag von fünfhundert Mark. Und dann reden wir weiter. Ist das ein Wort?«
    Barhaupt stimmte zu. Danach füllten Berit und Gina endlich die ersten Blätter mit Notizen. Barhaupt erklärte wortreich den Weg nach Grauenfels.
    »Das war dir doch recht, oder?«, fragte Berit Gina, als dasTelefonat beendet war. »Ich meine, besser ein bisschen Geld als gar keins. Und vielleicht ist in dem Ort ja wirklich was zu holen. Wenn der Stadtrat sein Ja-Wort zu einer Kampagne gibt.«
    »Aber nicht, dass du ihnen wieder alle Slogans umsonst lieferst«, bemerkte ihre Partnerin. »In Grauenfels wirst du gefälligst schweigen wie ein Grab.«
    Die Autobahn Richtung Thüringen war erstaunlich frei. Als Berit jedoch die Abfahrt nach Tatenbeck/Grauenfels nahm, bereuten die beiden schnell, sich für Berits kleinen Sportwagen anstelle von Ginas Landrover entschieden zu haben. Wohin auch immer die Mittel für den Aufbau Ost geflossen waren: Die Straßen rund um Grauenfels hatten davon anscheinend nichts gesehen.
    »In Sachen Geldbeschaffung scheint unser Herr Barhaupt ja nicht gerade der Größte zu sein«, bemerkte Gina.
    »Vielleicht ist er gerade erst gewählt worden«, überlegte Berit und wich einem Schlagloch aus. »Waren hier nicht vor kurzem Kommunalwahlen? Jedenfalls schien ihm sein Job alles andere als gleichgültig zu sein. Das Kaff liegt ihm wohl wirklich am Herzen. Da ist es übrigens …«
    Die Straße führte über eine Hügelkuppe, die den Blick auf Grauenfels freigab. Berit hielt kurz an. Der Ort präsentierte sich eintönig in Sandsteingelb und Ziegelrot, war von geraden Straßen durchzogen, wie auf dem Reißbrett geplant. Im Norden grenzte das Städtchen an einen gigantischen Steinbruch, der wie eine gelbliche Wüstenlandschaft dalag; daran angrenzend standen dicht Bäume, vermutlich die letzten eines ehemaligen Waldes. Hätte der Steinbruch nicht kürzlich geschlossen, wären sie sicher auch noch den Abbaumaschinen zum Opfer gefallen.
    Im Süden der Stadt hatte wohl die LPG gelegen. Von oben erkannte man Stall- und Wirtschaftsgebäude, seitlich davondie Schlossruine. Um die Bauten herum lagen Felder, durchzogen von schnurgeraden Wirtschaftswegen.
    »Also für Tourismus sehe ich schwarz«, meinte Gina nüchtern. »Das hier wirkt so idyllisch wie eine Mondlandschaft. Ich denke, wir sollten uns auf Industrieansiedlung spezialisieren«.
    »Nun warte erst mal ab«, erklärte Berit optimistisch und gab wieder Gas. »Vielleicht kann man ja was über Museen oder VIPs aufziehen. Wenn Goethe hier beispielsweise mal gelebt hätte. Oder Schiller. Dann könnte man glatt einen Balladenerlebnispark draus machen. Der Steinbruch ist doch frei, da ließe sich was aufbauen. Oder wenn sich herausstellte, dass … meinetwegen Hera Lind hier geboren ist …«
    Gina kicherte. »Gib’s auf, das hier war bis vor zehn Jahren DDR. Das heißt, die Karriere der Dame wäre gänzlich anders verlaufen. Und ein Balladenerlebnispark? Wie willst du denn hier John Maynard inszenieren? Kein See weit und breit. Und kein Moor und keine Heide. Bis du das angepflanzt hast, illustriert man Balladen 3-D im Internet. Als Freizeitpark käme hier höchstens was Gruseliges infrage. Spukschloss, Geistergrotte, Drachenhöhle … Die Kids wären hingerissen.«
    »Und der Slogan hieße Grauenvolles Grauenfels – Wir lehren Sie das Fürchten! «, fügte Berit hinzu. »Wer nach dem Horrorpark im Steinbruch und dem Grauen-Pfad im Wäldchen immer noch nicht genug hat, darf eine Nacht in der Ex-LPG verbringen. Todesnähe erleben eben. Die Gebäude da sind garantiert völlig asbestverseucht.« Die beiden lachten noch, als sie bereits das Ortsschild von Grauenfels passierten. Dann verging ihnen der Spaß.
    Auch von nahem wirkte die Stadt deprimierend. Links und rechts der engen, noch kopfsteingepflasterten

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