Das wunderbarliche Vogel-Nest
grössern Zweifel / in welchem ich ihn auch stecken liesse / biß die Esther an statt deß Messiæ nur eine Schlitzgabel zur Welt brachte / damit erreichte zwar Eraßmi Anfechtung ihre Endschafft / mit denen er bißhero der Religion halber gequälet worden / hingegen aber vermehrt sich bey ihm der Argwohn je länger je mehr / daß ich in dieser Sach ohnfehlbar interessirt seyn müste / auff was Weis solches aber geschehen können / vermochte er / wie gescheid er auch war / von ihm selbsten nicht zu ersinnen / weil er gar nichts von meiner Unsichtbarkeit wuste / und auch an so nichts gedachte.
Unterdessen hatte ich ihn gar in meine Dienste genommen / und ihn mit überhäuffter Verehr: oder Schenckungen dermassen eingenommen / daß ich seine grosse Treu in der Handelschafft / worinn ich ihn dann brauchte / täglich spürte / und so weit kam / daß ich ein Schloß auff ihn bauen dörffen / massen er mir auch die innerste Heimlichkeiten seines Hertzens / und die heimlichste Angelegenheiten seines Gewissens besser zu vertrauen anfieng / als mancher seinem Beichtvatter / unter andern aber vornemlich auch diß / daß er schier der Juden Meynung Beyfall gebe / welche sie von der Esther Tochter hätten / daß nehmlich vielleicht Gott / daß sie Männlichs Geschlechts und der Messias sey / unter der Gestalt / als wann das Kind ein Mägdlein wäre / vor den Christen verberge / biß es zu seinen Jahren komme / und verrichten konte / worzu es geboren worden; ich muste / wie leicht zu gedencken / der armen Einfalt deß sonst schlauen Eraßmi hertzlich lachen / und weilen er / was ich ihme der Zettel halber vertrauet gehabt / heimlich gehalten / zumalen auch sonst viel Proben gethan / die einen versicherten / daß ihm viel grössere Heimlichkeiten kühnlich zu vertrauen wäre / siehe / so resolvir te ich mich / ihme den gantzen Handel zu offenbaren / wie ich dann auch thät / und ihm sagte / er solte sicherlich glauben / daß ich selbst deß geschlitzten Messiæ Vatter wäre / wie ich aber darzu kommen / oder durch was vor Vortheil und Betrug ich so wol die Esther als ihre Eltern überlistet / darumb bate ich / wollte er Eraßmus sich nicht bekümmern / welches ich ihm auch zu sagen / noch zur Zeit bedenckens trüge / es solte ihm aber mit der Zeit unverborgen bleiben.
O mirum ! sagte hierauff Eraßmus / ich hätte nimmermehr geglaubt / daß ein Christ / ein Christ sage ich / der durch den heiligen Tauff zum Ewigen Leben wiedergeboren / und zu der Himmlischen Freud durch das allerköstlichste Blut Christi so theuer erkaufft worden / sich mit einer Judin vermischen solte / als welche von den Christen in gemein nicht vor viel besser als Hunde geschetzt / und von ihnen auch (sie werden dann durch den Heil. Tauff gewaschen / und der Christenheit einverleibt) Hunde genannt werden; Jch habe mir sagen lassen / daß an einigen unteutschen Orten Gewinsichtige Juden etlichen gailen Huren-Hengsten auß den Christen (ich mach mich schier der Schand theilhafftig / daß ichs als ein nunmehr getauffter Christ sage / aber wer kan vor leichtfertige Leut / wann sie unsere Mitbrüder seyn) Judendirnen zugeführt / als wären solches gemeine Weiber auß Christlichem Geschlecht gewest / und hernach damit glor irt / daß sie solche Sünder so Meisterlich übervortheilt / und mit ihres Geblicks / die sie Hündin schelten / betrogen / sagende / wann sie Hunde / und nicht so wol Menschen als die Christen wären / so würde ja ein Christ / wann er eine Jüdin beschlieffe / leicht mercken können / daß er mit keinem Menschen / sondern mit einer Hündin zu thun / er könne demnach nicht glauben (henckt er weiter daran) daß ich so Gewissenloß und leichtfertig gewesen sey / ein so grobe Sünd / die vor Geschwister-Kind mit der Sodomiterey zu halten / zu begehen.
Hier traff mir zwar Eraßmus das lebendig / und rühret mir das Gewissen dermassen / daß ich gewaltig in mich selber gieng / und im Sinn an die Brust schlug / vornemlich / daß ich diesen neuen Christen geärgert / und vor begangener Sünde die Grösse derselben nicht besser erwogen und betrachtet hatte / sondern erst von einem gewesten Juden lernen muste / aber ich entschuldigte mich gegen ihme darmit / daß mich die unerträgliche Liebe gleichsam verblendet / und darzu gezwungen / hingegen sagte mir Eraßmus / daß ich eine Creatur / die in ihrem gegenwärtigen Stand der ewigen Seligkeit so wenig / als ein unvernünfftig Vieh fähig / höher als Gott geliebt / eine kurtze schnöde Wollust der
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