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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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das Gerüchte von ihrer seltzamen Schwängerung unter den Juden erschollen / hielten sie es zwar vor den Christen heimlich / damit ihrer Frucht (und gesamter Jüdischer Zucht) welche ins künfftig / wie sie glaubten / das Christenthumb zerstören würde / keine Ungelegenheit zuwachsen / oder vielleicht ein Herodianisch Stücklein gespielt werden könte / sie selbst aber freuten sich untereinander höchlich / gloriert en mit ihrem Glauben / wünschten einander Glück auff die Räis ins gelobte Land / luden einander zu Gast / sandten einander Geschenck / und ehrten die Esther so hoch als eine Göttin; der getaufte Eraßmus bekam von seinem alten vertrauten Bekandten auch Wind hiervon / welches ihn in seinem angenommenen Christenthumb fast wanckelmüthig machte / worvon ich aber in nächstfolgendem Capitel reden werde.
    Je mehr sich nun der Juden Jubel mehrete / je näher ruckte die Zeit herbey / daß Esther ihnen ihren Heyland gebären / und also ihre Freud gantz vollkommen machen solte / bißher war ihrer wie einer Fürstin gepflegt worden / jetzt hatte man wie auff eine Königliche Kindbett zugerichtet / massen nicht nur allein die erfahrne Juden-Weiber / so mehr darbey gewesen / sondern auch die aller-vornehmste und reichste Juden der Statt / und die allergelehrteste Rabbiner der Synagog sich zu ihrer Niderkunfft einfanden / ihren neugebornen Erlöser / den sie in Mutterleib schon angebetet / auch jetzo bey der ersten Athemschnappung zu küssen / und ihn mit herrlichen Præsenten zu verehren; Jch hatte die Tröpffin überredet / sie würde allerdings ohne Schmertzen gebären / aber siehe / da es jetzo an dem war / fienge sie an zu wintzeln wie andere Weiber / und als sie ihrer Bürde entbunden worden / fande sich (ach Adonay ! welches leyder das allerschlimmste vor die Juden war) an statt deß Messiæ nur ein Töchterlein.
    Da kriegten die Anwesende erst lange Nasen / und henckten die Schnäbel allerdings biß auff den Boden / noch dennoch waren die Allergelehrteste unter ihnen so närrisch / so blind / und so verpicht auff deß Messiæ Ankunfft / daß sie mit nichten glauben konten / was sie mit ihren eygenen Augen sahen / sondern sie sagten und über disputirt en auch die andere / solches zu glauben / es wäre in der Welt gar nichts neus / daß Weibliche Bilder geboren worden / die sich hernach / wann sie Mannbar gewesen / erst in Mannsbilder verändert / wurde demnach beschlossen / daß man diese Creatur / ob gleich nicht wegen seltzamer Geburt / doch wegen der wunderbarlichen Empfängnus herrlich aufferziehen solte; wer wissen könte / sagten sie / was Gott damit vermeynte / daß er das Mannlich Glied bey dieser Geburt verborgen / vielleicht müste es allererst im dreyzehenden Jahr seines Alters beschnitten werden / oder / wer wolts wissen können? vielleicht möchten die Goim solche Geburt erfahren / und ihren Moschiach in zarter Jugend zu tödten suchen / ehe er Wunderwerck zu thun / und das Hauß Jsrael zusammen zu bringen / und ins gelobte Land zu führen vermöchte / welcher alsdann aber unter der Gestalt eines Weibs-Bildes vor solchem ihrem Beginnen wol versichert / und genugsam verborgen seyn würde / man müste derowegen nur Gott walten lassen / der vielleicht sie hiermit versucht / und ihren festen Glauben und beharrliche Beständigkeit dardurch probir te / gleich wie er ihrem Vatter Abraham auch gethan hätte.

CAP. XVI.
    Wie sich Eraßmus verhielte / und wie er auß seinen Anfechtungen erlöst wurde.
    JCh bildete mir ein / nunmehr das Hertz Eraßmi so wol durch freundliche Beywohnung und tägliche Conversation , als meine Freygebigkeit / die ich gegen ihme immerhin verspüren liesse / dergestalt gewonnen / und gegen mir zur Vertraulichkeit angereitzt / oder wol gar verbunden zu haben / daß ich viel verwetten dörffen / er hätte mir all sein Anligen vertraut und offenbahrt / massen er auch in vielen Stücken thät / aber nachdem der gute Mensch von einigen seiner alten Bekandten auß der Synagog benachrichtigst worden / was das außerwehlte Volck Jsrael vor gewisse Nachricht und sichern Trost wegen ehister Ankunfft ihres Messiæ (durch die Zettel nemlich / so ich ohne sein Wissen außgestreuet) vom Himmel empfangen / wurde er zwar mit grosser Traurigkeit hefftig angefochten / umb willen er eben kurtz vor der Zeit / in deren sich der Juden Elend enden / und ihre höchste Glückseligkeit anfahen solte / von ihnen abtrünnig worden / er sagte mir aber drumb sein schweres Anligen nicht / sondern beflisse

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